Für
mich ist es selbstverständlich, von Zeit zu Zeit Musik für jugendliche
Instrumentalisten zu schreiben. Einmal werde ich immer wieder
danach gefragt, und zweitens ist es mir ein Anliegen, mit den
Instrumentalisten und Musikhörern von morgen in Kontakt zu kommen. Daß
es ganz besonders schwierig ist, in einer gewissen „Begrenzung" auch
Anspruchsvolles zu erfinden, soll es über akademisch-trocken
„Pädagogisches" hinausgehen, steht außer Frage. Vor allem aber ist es
von großer Wichtigkeit, daß sich potente Komponisten mit der Mentalität
der jugendlichen Spieler vertraut machen, deren generelle
Aufgeschlossenheit, sich mit der Musik ihrer Zeit auseinander zu
setzen, erkennen und die hieraus resultierenden Einsichten mit ernstem
Engagement kompositorisch fruchtbar machen. Sie wären hierbei in guter
Gesellschaft. Bach, Mozart, Schumann und Bartók, um nur wenige Namen zu
nennen, waren sich nicht zu „gut" für diese Aufgabe.
Bertold Hummel 1976
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Einige
Jahre später begleitete ich meinen Sohn bei einem Schülerkonzert am
Klavier. Er hatte Hummels Sonatine für Violine und Klavier zu spielen und
war richtig stolz, dieses Stück mit den zum Teil äußerst komplizierten
Rhythmen knacken zu können. "Das grooved ja richtig!" war das Schönste,
was ein Junge zu dieser Musik sagen konnte. Mich beeindruckte die Komposition
wegen ihres geradezu frechen Umgangs mit dem musikalischen Material, mich faszinierte,
wie Hummel Elemente des Jazz einbezog und Jugendliche zur Neuen Musik hinzuführen
verstand.
Wilfried
Hiller
| ViolineSonatine
für Violine und Klavier op. 35a Sonatine
für Violine und Klavier op. 107a2 Divertimento
für 4 Violinen (für Fortgeschrittene) Kinderleichtes
Streichkonzert für 2 und 3 Violinen Duos
für Violinen "...
und ein Tango" für Violine und Klavier Concertino
classico für Violine (1. Lage) und Klavier 16
Weihnachtslieder für 2 Violinen Trio
facile für Violine, Viola und Klavier |
Mit
Bartók, Hindemith und Genzmer,
bei dem Hummel übrigens das kompositorische Handwerk erlernt hat, vereinte
den 1925 in Hüfingen (Baden) geboren Komponisten und langjährigen Würzburger
Musikhochschulpräsidenten nämlich der pädagogische Anspruch, gut
realisierbare Musik zu schaffen, die auf höchstem handwerklichen und künstlerischem
Niveau helfen sollte, Kinder und Jugendliche mit der Ausführung von Melodien,
Rhythmen und Klängen vertraut zu machen, die ihnen an der Wiege wohlmöglich
so nicht gesungen wurden. Das begegnet vermutlich jedem von uns im Unterricht
regelmäßig: Bereits kleinste rhythmische oder harmonische Abweichungen
vom Standard - seien es auch nur Sekundreibungen oder Synkopen - werden von Zöglingen
unserer Instrumentalausbildung, deren musikalisches Umfeld oft durch eher schlicht
gestrickte Muster geprägt ist, als äußerst unwillkommene Störung
empfunden. Der Weg, der aus solcher Enge in Richtung eines kompetenten Umgangs
mit Neuer Musik führt, ist furchtbar lang und er muss umsichtig und zielstrebig
beschritten werden. Bertold Hummel ist ihn überaus erfolgreich gegangen:
Nimmt man allein die Auflagen der Saßmannshaus-Schule "Früher
Anfang auf der Geige/dem Cello", die er durch viele reizvolle Duette bereichert
hat, zum Maßstab, kann man wohl davon ausgehen, dass einige tausend Kinder
schon in ihrer instrumentalen Frühphase an Stücken dieses Komponisten
gearbeitet haben und mit ihnen gewachsen sind. Dies und die Tatsache, dass
auch für alle weiteren Lernstadien Duos, Sonatinen, kleine Konzert- und Orchesterstücke
- allesamt kurzweilig und gut spielbar - vorhanden sind und sich bei Pädagogen
aller Instrumentengruppen großer Beliebtheit erfreuen, hat dazu geführt,
dass Bertold Hummel von vielen fast in der gleichen fatalen Weise mit der "Sonatine"
identifiziert wird, wie vor ihm schon Clementi oder Kuhlau, deren pädagogisch
gut verwertbarer "Output" den Blick auf ein weit darüber hinausgehendes
Oeuvre verstellt hat.
Michael Corßen
(in: Der Komponist Bertold Hummel, ESTA-Nachrichten 51 / März
2004
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