in memoriam Bertold HummelBer

Thomas Daniel Schlee: in memoriam Bertold Hummel
Karl Heinz Wahren: in memoriam Bertold Hummel
Martin Hummel: Ansprache zum 27.11.2002

Michael Wernicke OSA: in memoriam Bertold Hummel
Nachruf im Spiegel


in memoriam
Prof. Bertold Hummel zum Gedächtnis (1925-2002)
Ein Nachruf von Dr. Thomas Daniel Schlee

Am 9. August 2002 ist in Würzburg unser lieber Freund, der Komponist und Vorsitzende des Musikbeirats der Guardini Stiftung, Bertold Hummel, gestorben. Als ihm am 13. Juni 1998 in der Mainzer Staatskanzlei aus den Händen von Bischof Karl Lehmann der Kunst- und Kulturpreis der Deutschen Katholiken überreicht wurde (zusammen mit Petr Eben), formulierte ich in meiner Laudatio:

"Was für ein Glück, wenn man über einen Künstler reden darf, den man gleichermaßen liebt und verehrt, dessen persönliche Aura einen ebenso berührt hat wie sein Werk! Welches Vergnügen auch, eine Laudatio auf einen Komponisten zu halten, der sein Leben lang unabhängig war von Cliquen, von Gruppen also, die im Zuge des harten Verteilungsgerangels, sagt man, auch auf Preisvergaben (samt deren medialer Beurteilung) Einfluß haben sollen... Wir ehren heute also einen freien Künstler; und dennoch ist das Dienende ein wesentliches Merkmal seiner Arbeit.

Bertold Hummel, geboren am 27. November 1925 im badischen Hüfingen, war in Freiburg im Breisgau Student von Harald Genzmer, von dem er heute noch mit großer Zuneigung spricht. Aha, werden die ‚Eingeweihten' blitzschnell schließen: Hindemith in der dritten Generation also. Francis Poulenc hätte darauf erwidert: ‚Das ist doch immerhin schon etwas'; aber es genügt eben bei weitem nicht, um den Ambitus des Hummelschen Oeuvres zu beschreiben.

1997 wurde seine dritte Symphonie op. 100, ‚Jeremia' (inspiriert vom Roman Franz Werfels), uraufgeführt. Hummel gab mir die sogleich erschienene CD mit der in ihrem Mangel an Insistenz so charakteristischen Bemerkung: ‚Na, vielleicht haben Sie Zeit, sie sich anzuhören.' Entsprechend unvorbereitet trafen mich die Wucht und Tiefe der Klänge dieses großen, bedeutenden Werkes. Was für Farben in Harmonik und Orchester! Welche Dichte der Form und gleichzeitig: welche Klarheit, Deutlichkeit der Klangrede! Ähnliches ist über Hummels abendfüllendes Oratorium ‚Der Schrein der Märtyrer' für Solisten, zwei Chöre, Sprecher, drei Orgeln, Schlagzeuggruppe und Orchester zu sagen, das 1988 entstanden ist. Mir scheint dieses Werk ein dreifaches klingendes Portrait zu sein: Einerseits faßt es die so vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten des Komponisten in überaus glücklicher Weise zusammen, zum anderen ist es eine Hommage an Hummels langjährige Wirkungsstätte Würzburg, und nicht zuletzt ist hier ein anspruchsvolles Kunstwerk in den Dienst einer geistlichen Botschaft gestellt, die für diesen Künstler seit jeher eine Angelegenheit des Herzens und seiner Kultur ist.

Dies ist ein wesentlicher Punkt: Aus Bertold Hummels umfangreichem Schaffen - natürlich aus seinen liturgischen Kompositionen, aber eben auch aus seiner Instrumental- und Orchestermusik - leuchtet immer wieder seine Religio, seine Bindung an den Geist hervor. So wie bei Hummel die spirituelle Aussage sich in an sich für den Konzertsaal bestimmten, also kunstvollen Werken findet, so fordert er umgekehrt eine solche künstlerische Qualität auch von liturgischer Musik. Seine Vorstellungen hierzu hat er schon 1979 mit Nachdruck in seinem bemerkenswerten Vortrag ‚Zur Situation der Musik in der Kirche heute' formuliert.

Doch zurück zum wachen, sensiblen Musiker Bertold Hummel, der immer auf der Suche nach neuen Klangkombinationen ist: Ich denke etwa an sein subtiles Trio für Flöte, Oboe und Klavier ‚In memoriam Olivier Messiaen' - für mich das Bindeglied von den geistlich inspirierten zu den zahlreichen Werken des Komponisten, die gleichsam aus einem ‚autonomen' Kunstwollen gebildet wurden. Hier wäre eine Fülle von konzertanten und kammermusikalischen Werken zu nennen, nicht zuletzt auch bislang rund zwanzig Stücke für und mit Schlagzeug, die dazu beigetragen haben, ihren Autor international zu beneidenswerten (und in der Tat beneideten) Aufführungszahlen zu führen.

Ich sprach vom ‚autonomen Kunstwollen, aber ich korrigiere mich sogleich wieder: Es genügt, den gütigen und humorvollen Blick Bertold Hummels einmal gestreift zu haben, um zu erkennen, daß für ihn das Schreiben von Musik immer auch ein Akt der Mitmenschlichkeit ist, den Zeitgenossen und den Nachgeborenen etwas zu geben, das ihren Anteil an der Schönheit mehrt. Alle, die Bertold Hummel kennen, wissen, mit weich diskreter Hingabe er seinen jungen Kollegen hilft und mit welch staunenswerter Neugierde er - nunmehr Ehrenpräsident der Würzburger Hochschule und Mitglied der Bayerischen Akademie der schönen Künste - nach wie vor die Begegnung mit dem Neuen sucht."

Es fällt mir schwer, sehr schwer, bei jedem Verbum, das in diesem Text im Präsens steht, daran erinnert zu werden, daß diese Gegenwart nun in dieser Form nicht mehr zutrifft. Bertold Hummels Tod kam rasch, er traf uns völlig unvorbereitet. Noch im April des vergangenen Jahres sah man ihn auf Schloß Hirschberg, großmütig und wohlwollend die Begegnung der deutschen Bischöfe mit einer Palette von Erzeugnissen der musikalischen Avantgarde beobachtend, aus seinem souveränen Vermögen der Unterscheidung den anderen gegenüber nicht viel Aufhebens machend. Wenn ich geahnt hätte, daß es unsere letzte Begegnung sein sollte, wie vieles hätte ich da zur Sprache bringen müssen! Und wie gerne hätte ich oft noch seinen Blick gesucht, aus dem stets soviel Zuversicht leuchtete.

Bertold Hummel hat nicht nur als Künstler, sondern auch als Lehrer viel Gutes gewirkt. 1963 wurde er als Kompositionslehrer an das damalige Staatskonservatorium in Würzburg berufen und nach dessen Umwandlung in die zweite Bayerische Musikhochschule zum Professor ernannt. Acht Jahre lang (1979-1987) übernahm er auch das Amt des Präsidenten. Zeit seines Lebens setzte er sich für zeitgenössische Musik ein: Er leitete das Studio für Neue Musik Würzburg, rief die "WürzburgerTage für Neue Musik" ins Leben und arbeitete mehr als 25 Jahre lang ehrenamtlich in der Urheberrechtsgesellschaft für Komponisten, der GEMA. Für seine Werke und Verdienste wurde Bertold Hummel vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Kompositionspreis der Stadt Stuttgart (1960), dem Robert Schumann-Preis der Stadt Düsseldorf (1961), dem Bundesverdienstkreuz Erster Klasse (1985), dem Kulturpreis der Stadt Würzburg (1988) sowie zuletzt mit dem bereits erwähnten Kunst- und Kulturpreis der Deutschen Katholiken.

Am Tag vor seinem Ableben, im Sprital, wissend um das sehr nahe Ende, hat Bertold Hummel noch ein tief bewegendes Stück für Violoncello solo skizziert; er hat es als einen im eigentlichen Sinne "letzten Gruß': eben als "Abschied" (so derTitel des Werkes), dem scheidenden Geschäftsführer der Guardini Stiftung, Dr. Hermann Josef Schuster, zugeeignet. Auch hier zeigt sich die Größe dieses Mannes, sogar einen solchen Moment existentieller Zuspitzung zum Geschenk zu wandeln.

Bertold Hummel, unser lieber Freund, fehlt uns sehr...

(Guardini-Stiftung e.V. - Jahresbericht 2002, Berlin)

 



 

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