in
memoriam Prof. Bertold
Hummel zum Gedächtnis (1925-2002) Ein Nachruf von Dr. Thomas Daniel
Schlee Am 9. August
2002 ist in Würzburg unser lieber Freund, der Komponist und Vorsitzende des
Musikbeirats der Guardini Stiftung, Bertold Hummel, gestorben. Als ihm am 13.
Juni 1998 in der Mainzer Staatskanzlei aus den Händen von Bischof Karl Lehmann
der Kunst- und Kulturpreis der Deutschen Katholiken überreicht wurde (zusammen
mit Petr Eben), formulierte ich in meiner Laudatio: "Was
für ein Glück, wenn man über einen Künstler reden darf, den
man gleichermaßen liebt und verehrt, dessen persönliche Aura einen
ebenso berührt hat wie sein Werk! Welches Vergnügen auch, eine Laudatio
auf einen Komponisten zu halten, der sein Leben lang unabhängig war von Cliquen,
von Gruppen also, die im Zuge des harten Verteilungsgerangels, sagt man, auch
auf Preisvergaben (samt deren medialer Beurteilung) Einfluß haben sollen...
Wir ehren heute also einen freien Künstler; und dennoch ist das Dienende
ein wesentliches Merkmal seiner Arbeit. Bertold
Hummel, geboren am 27. November 1925 im badischen Hüfingen, war in Freiburg
im Breisgau Student von Harald Genzmer, von dem er heute noch mit großer
Zuneigung spricht. Aha, werden die ‚Eingeweihten' blitzschnell schließen:
Hindemith in der dritten Generation also. Francis Poulenc hätte darauf erwidert:
‚Das ist doch immerhin schon etwas'; aber es genügt eben bei weitem
nicht, um den Ambitus des Hummelschen Oeuvres zu beschreiben. 1997
wurde seine dritte Symphonie op. 100, ‚Jeremia' (inspiriert vom Roman Franz
Werfels), uraufgeführt. Hummel gab mir die sogleich erschienene CD mit der
in ihrem Mangel an Insistenz so charakteristischen Bemerkung: ‚Na, vielleicht
haben Sie Zeit, sie sich anzuhören.' Entsprechend unvorbereitet trafen mich
die Wucht und Tiefe der Klänge dieses großen, bedeutenden Werkes. Was
für Farben in Harmonik und Orchester! Welche Dichte der Form und gleichzeitig:
welche Klarheit, Deutlichkeit der Klangrede! Ähnliches ist über Hummels
abendfüllendes Oratorium ‚Der Schrein der Märtyrer' für Solisten,
zwei Chöre, Sprecher, drei Orgeln, Schlagzeuggruppe und Orchester zu sagen,
das 1988 entstanden ist. Mir scheint dieses Werk ein dreifaches klingendes Portrait
zu sein: Einerseits faßt es die so vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten
des Komponisten in überaus glücklicher Weise zusammen, zum anderen ist
es eine Hommage an Hummels langjährige Wirkungsstätte Würzburg,
und nicht zuletzt ist hier ein anspruchsvolles Kunstwerk in den Dienst einer geistlichen
Botschaft gestellt, die für diesen Künstler seit jeher eine Angelegenheit
des Herzens und seiner Kultur ist. Dies
ist ein wesentlicher Punkt: Aus Bertold Hummels umfangreichem Schaffen - natürlich
aus seinen liturgischen Kompositionen, aber eben auch aus seiner Instrumental-
und Orchestermusik - leuchtet immer wieder seine Religio, seine Bindung an den
Geist hervor. So wie bei Hummel die spirituelle Aussage sich in an sich für
den Konzertsaal bestimmten, also kunstvollen Werken findet, so fordert er umgekehrt
eine solche künstlerische Qualität auch von liturgischer Musik. Seine
Vorstellungen hierzu hat er schon 1979 mit Nachdruck in seinem bemerkenswerten
Vortrag ‚Zur Situation der Musik in der Kirche heute' formuliert. Doch
zurück zum wachen, sensiblen Musiker Bertold Hummel, der immer auf der Suche
nach neuen Klangkombinationen ist: Ich denke etwa an sein subtiles Trio für
Flöte, Oboe und Klavier ‚In memoriam Olivier Messiaen' - für mich
das Bindeglied von den geistlich inspirierten zu den zahlreichen Werken des Komponisten,
die gleichsam aus einem ‚autonomen' Kunstwollen gebildet wurden. Hier wäre
eine Fülle von konzertanten und kammermusikalischen Werken zu nennen, nicht
zuletzt auch bislang rund zwanzig Stücke für und mit Schlagzeug, die
dazu beigetragen haben, ihren Autor international zu beneidenswerten (und in der
Tat beneideten) Aufführungszahlen zu führen. Ich
sprach vom ‚autonomen Kunstwollen, aber ich korrigiere mich sogleich wieder:
Es genügt, den gütigen und humorvollen Blick Bertold Hummels einmal
gestreift zu haben, um zu erkennen, daß für ihn das Schreiben von Musik
immer auch ein Akt der Mitmenschlichkeit ist, den Zeitgenossen und den Nachgeborenen
etwas zu geben, das ihren Anteil an der Schönheit mehrt. Alle, die Bertold
Hummel kennen, wissen, mit weich diskreter Hingabe er seinen jungen Kollegen hilft
und mit welch staunenswerter Neugierde er - nunmehr Ehrenpräsident der Würzburger
Hochschule und Mitglied der Bayerischen Akademie der schönen Künste
- nach wie vor die Begegnung mit dem Neuen sucht." Es
fällt mir schwer, sehr schwer, bei jedem Verbum, das in diesem Text im Präsens
steht, daran erinnert zu werden, daß diese Gegenwart nun in dieser Form
nicht mehr zutrifft. Bertold Hummels Tod kam rasch, er traf uns völlig unvorbereitet.
Noch im April des vergangenen Jahres sah man ihn auf Schloß Hirschberg,
großmütig und wohlwollend die Begegnung der deutschen Bischöfe
mit einer Palette von Erzeugnissen der musikalischen Avantgarde beobachtend, aus
seinem souveränen Vermögen der Unterscheidung den anderen gegenüber
nicht viel Aufhebens machend. Wenn ich geahnt hätte, daß es unsere
letzte Begegnung sein sollte, wie vieles hätte ich da zur Sprache bringen
müssen! Und wie gerne hätte ich oft noch seinen Blick gesucht, aus dem
stets soviel Zuversicht leuchtete. Bertold
Hummel hat nicht nur als Künstler, sondern auch als Lehrer viel Gutes gewirkt.
1963 wurde er als Kompositionslehrer an das damalige Staatskonservatorium in Würzburg
berufen und nach dessen Umwandlung in die zweite Bayerische Musikhochschule zum
Professor ernannt. Acht Jahre lang (1979-1987) übernahm er auch das Amt des
Präsidenten. Zeit seines Lebens setzte er sich für zeitgenössische
Musik ein: Er leitete das Studio für Neue Musik Würzburg, rief die "WürzburgerTage
für Neue Musik" ins Leben und arbeitete mehr als 25 Jahre lang ehrenamtlich
in der Urheberrechtsgesellschaft für Komponisten, der GEMA. Für seine
Werke und Verdienste wurde Bertold Hummel vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem
Kompositionspreis der Stadt Stuttgart (1960), dem Robert Schumann-Preis der Stadt
Düsseldorf (1961), dem Bundesverdienstkreuz Erster Klasse (1985), dem Kulturpreis
der Stadt Würzburg (1988) sowie zuletzt mit dem bereits erwähnten Kunst-
und Kulturpreis der Deutschen Katholiken. Am
Tag vor seinem Ableben, im Sprital, wissend um das sehr nahe Ende, hat Bertold
Hummel noch ein tief bewegendes Stück für Violoncello solo skizziert;
er hat es als einen im eigentlichen Sinne "letzten Gruß': eben als
"Abschied" (so derTitel des Werkes), dem scheidenden Geschäftsführer
der Guardini Stiftung, Dr. Hermann Josef Schuster, zugeeignet. Auch hier zeigt
sich die Größe dieses Mannes, sogar einen solchen Moment existentieller
Zuspitzung zum Geschenk zu wandeln. Bertold
Hummel, unser lieber Freund, fehlt uns sehr... (Guardini-Stiftung
e.V. - Jahresbericht 2002, Berlin)
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