BERTOLD HUMMEL - Texte zu den Werken: opus 37 Zurück zur Verzeichnisliste |
Metamorphosen für Gitarre op. 37 (1969/1978/1990)
I. Rezitativ II. Intermezzo IV. Finale
Uraufführung: 4. Dezember 1974 /
Regensburg / Universität Aufführungsdauer: 8 Minuten Verlag: N. Simrock Berlin-London (Boosey & Hawkes) ISMN M-2211-0858-6 Video: Hummelwerke auf youtube Seine
viersätzigen Metamorphosen hat der
Würzburger Komponist Bertold Hummel im Jahr 1969
geschrieben und dem Gitarristen Siegfried Behrend
gewidmet. Hummel verwendet die Zwölftontechnik nicht im
strengen Schönbergschen Sinn, sondern freier, etwa wie
Alban Berg dies tat. Hummel erlaubt es sich also, eine
Reihe - jeder Satz hat seine eigene, mit den anderen
verwandte - wieder zu beginnen, noch bevor er alle ihre
Töne verwendet hat. Typisch für seinen Umgang mit
Zwölftonreihen sind Tonumstellungen, Fragmentierungen
und Wiederholungen, so dass Tonalitätsfelder entstehen.
Der Titel Metamorphosen beschreibt ein Urprinzip
allen Komponierens, ja aller Künste überhaupt: das der
Verwandlung, des Sich-Veränderns. Der erste Satz, Rezitativ, führt eine gleichsam grundlegende Metamorphose vor - die eines Einzeltones, der zu Beginn in Bewegung versetzt, sich gleichsam erst mit Energie auflädt, um dann den Tonraum zu durchmessen. Vom Ton e aus - der Stimmung wegen ist das e das Gravitationszentrum des Gitarrenklanges - erobert sich das Rezitativ nach und nach den gesamten Tonraum, um etwa nach einem Drittel mit den herausstechenden Hochtönen es"' und des"' die zwölf Töne einer Oktave zumindest einmal angespielt und so die Reihe in ihren Grundzügen festgelegt zu haben. Stückweise wird dann die Reihe auf ihre spielerischen Möglichkeiten hin überprüft. Die letzten drei Takte sind eine Quintessenz. Unterhalb des e' (dem Ton, auf den die erste Saite gestimmt ist) läuft die komplette Reihe ab. Damit präsentiert sich noch einmal der gesamte Tonvorrat, über den der Komponist verfügt.
Die
Vortragsanweisung "burlesk" des zweiten Satzes,
des Intermezzo, gibt nicht nur dem
Interpreten vor, wie er dieses Stück zu spielen habe,
sie charakterisiert auch das dreiteilige Stück (A-B-A')
selbst. Burlesk ist mindestens viererlei: die
weiten Intervallsprünge der Reihe, der Kuckucksruf (die
Töne 6, 7, 8 und 4 der Umkehrungsreihe), die verdrehte
Reihe vor dem Schlußakkord und der Umstand, dass die
Reihe meistens als Umkehrung erscheint, also Kopf steht. Der dritte Satz, Melancolia, wirkt wie eine Reminiszenz an Lautenlieder. Über zu Akkorden zusammengezogenen Reihentönen entfaltet sich eine mit Skalengängen verzierte Melodie. Das
Finale, ein motorisches Kehrausstück, wird
von einer Achttonreihe bestimmt. Hauptintervall ist die
Sekund. Hummel formt aus ihr durch zum Teil exzessive
Wiederholungen eine Art Pendelbewegung, die dem
vorandrängenden Impuls zuwiderläuft: Das Stück tritt auf
der Stelle, scheint sich festzufahren - und löst sich
dann wieder abrupt. Nicht anders, auf diese ganz eigene
Art der Fortbewegung, erreicht das Finale den
Schlussakkord. Diesmal löst sich die Spannung so
plötzlich, dass die Reihe (als Umkehrung) kopfüber zum a,
dem Grundton, hinabpurzelt. Ein A-Dur-Akkord hängt sich
prompt daran an: Ungebrochen tonaler Glanz - das ist
Bertold Hummels kleine Überraschung zum guten Ende.
Vorwort (der neuen Ausgabe bei Simrock) Die
Metamorphosen für Gitarre, op. 37 schrieb Bertold Hummel
1969 auf Anregung des Gitarristen Siegfried Behrend und
setzte sich damit zum ersten Mal in seinem umfassenden
Oeuvre intensiv mit den Klangmöglichkeiten dieses
Instrumentes auseinander. Martin Hummel
Erstausgabe:
N. Simrock Hamburg-London 1975 |