BERTOLD HUMMEL - Texte zu den Werken: opus 102


Zurück zur Verzeichnisliste

Benedicamus Domino für Orgel, op. 102 (1997)



Beginn der Komposition

 

Uraufführung: 2. Juli 1998, Nürnberg, St.Sebald
Petr Rajnoha

Aufführungsdauer: 17 Minuten

Autograph:
Titel: "Benedicamus Domino" für Orgel op. 102
Umfang: 26 Seiten
Datierung: 30.9.97
Aufbewahrungsort: Bayerische Staatsbibliothek München

Verlag: Schott Music ED 8919 / ISMN: M-001-12438-6
Druckfehler: Seite 9, Takt 73: Pedal: 4. Achtel statt kl d muss ein gr. H gespielt werden

DruckausgabeManuskript

ifo-records ORG 72222

Auf CD erhältlich: Musik des 20. Jahrhunderts Internationale Orgelwoche Nürnberg, Petr Rajnoha (Orgel) - ION 01-01/02 (ion@nuernberg.de)

Benedicamus Domino ist eine Auftragskomposition der 47. Internationalen Orgelwoche Nürnberg 1998 als Pflichtstück der Endrunde des Orgelinterpretationswettbewerbs um den "Johann-Pachelbel-Preis".

 

Die gregorianische Melodie des "Benedicamus Domino" ist das Ausgangsmaterial meiner Orgelkomposition op. 102, die im August und September 1997 entstand für die Internationale Orgelwoche Nürnberg - Musica Sacra 1998 als Auftragswerk der Siemens-Kulturstiftung.

Über einem Pedalcluster, der aus dem Anfang des "Benedicamus" gewonnen ist, erklingt im Manual ein Thema, das eine Kombination der Choralmelodie in Tritonusversetzung darstellt, ergänzt durch Kommentare, die alle vom Grundmaterilal ableitbar sind. Dieser 1. Einleitungskomplex wird sequenzartig mit leichten Veränderungen wiederholt.

Es folgt ein rascher Teil, bei dem die 4 Versionen einer 12-Tonreihe im Pedal situiert sind, jeweils weitergeführt mit toccatenhafter Ornamentik. Es kommt zu 1. Exposition des Choralthemas mit vollchromatischen Umspielungen bevor das Allegro wieder aufgegriffen und zu einem 1. dynamischen Höhepunkt geführt wird. Hier erscheint das Choralthema in Gegenbewegung über einer ostinaten Pedalfigur in 2 Wellen. Ein dreiteiliger ruhiger Verlauf bringt das Thema und seine tritonusversetzte Gestalt und deren Fortsspinnung in ariosem Charakter. Das wieder aufgenommene Toccata-Allegro führt zu einem weiteren dynamischen Höhepunkt. Ein kurzer Arioso-Rückblick unterbricht die vorwärtsdrängenden Metamorphosen. Ein dritter dynamischer Gipfel wird erreicht und rasch abgebaut.

Im "goldenen Schnitt" des Werkes beginnt nun eine Passacaglia über einer 12-tönigen Folge, die zur Apotheose des ganzen Werkes führt. Nach dem Erreichen der größtmöglichen Klangfülle erfolgt eine dynamische Reduktion bis zum äussersten pp. Ein letztes Mal erklingt das Choralthema stockend. Mit einem der charakteristischen Läufe des Allegro-Teils verlöscht das Stück.

Das Werk nützt die klanglichen und spieltechnischen Möglichkeiten einer großen Orgel.

Bei der Interpretation sollte der Eindruck einer breit angelegten Phantasie mit Metamorphosen entstehen.

Bertold Hummel

 

Peter Wittrich: Benedicamus domino op. 102 - Das Gipfelwerk in Bertold Hummels Orgelschaffen, Organ 1/0, S. 16-24, Schott Music, Mainz 2007

 

Ein gregorianisches Benedicamus Domino dient Bertold Hummel als Ausgangspunkt seines Orgelwerks op. 102. Gleich zu Beginn stellt die Orgel das Basismaterial des Stücks vor: das Incipit des Chorals (bestehend aus Ganztonschritten) wird mit intervallischem Material (dem Tritonus, der durch drei Ganztonschritte zu bilden ist) kontrastiert, Ganztonskalen vermitteln zwischen den beiden Konstituenten. Ein neues Element wird durch das solistisch eingesetzte Pedal eingeführt, dessen motivisches Material sich auf Halbtonschritte zurückführen lässt. Dies fungiert schließlich als Auslöser für den Einsatz des vollständigen Chorals, in parallel geführten Quartsextakkorden und zunächst in einem leisen Flötenregister. Die damit vollzähligen musikalischen Gestaltungselemente: Tritonus/Ganztonskala, Halbtonanschluss, Parallelverschiebung werden nun in einer Steigerungsform durchgeführt, bevor der Choral im fortissimo ertönt. Ein liedhafter Mittelteil wird verschiedentlich von toccatenhaften, mit repetitiven Gruppen angereicherten Einschüben unterbrochen und letztlich verdrängt. Ein finaler Aufschwung mündet in einen apotheotischen Lobgesang, um den letzten Einsatz des Chorals als eine Art Abgesang in einem leisen Register (mit Begleitung der vox caelestis) zu bringen. Repetitive Segmente im kleinen wie Wiederholungen einzelner Formteile im großen strukturieren das Werk; die Technik den Choral mit parallel verschobenen Akkorden zu begleiten, ist als Reminiszenz an das mittelalterliche organum (und ähnliche Verfahren, wie Fauxbourdon) zu deuten.

Dr. Andreas Jacob


Presse

Mittelbayerische Zeitung Regensburg, 2. 12. 2009

Mit einer weiteren Choralbearbeitung Hummels, dem weit dimensionierten „Benedicamus Domino“ op. 102, präsentierte sich Sul Bi Yi, die Gewinnerin des Wettbewerbs. Ihr gelang es am schlüssigsten, aus den einzelnen kontrastierenden Elementen von Hummels Klangsprache ein Ganzes zu gestalten und aus Choralmelos, virtuosem Laufwerk, farbigen Harmonieflächen und hereintönenden Vogelstimmen einen lebendigen Spannungsbogen zu entwickeln.