Fantasia
poetica "in memoriam Wolfgang Borchert" für Hackbrett und Viola,
op. 101b (1997)
Beginn
der Komposition Uraufführung:
23. November 1997, München, Gasteig Thomas Weber / Karl-Heinz Schickhaus
Widmung: Für Karl-Heinz Schickhaus
Aufführungsdauer:
16 Minuten
Autograph:
Titel: Fantasia poetica op. 101b für Viola und Hackbrett
Umfang: 21 Seiten
Datierung: 24.3.97
Aufbewahrungsort: Bayerische Staatsbibliothek München
Verlag: Vogt
& Fritz VF 1279 / ISMN M 2026-0219-5
Vogt&Fritz
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Die
Fantasia poetica entstand auf Anregung des Hackbrett-Spezialisten
Karl-Heinz Schickhaus und ist eine Hommage an den jungverstorbenen Dichter Wolfgang
Borchert (1921-1947), der – wie Bertold Hummel – die Schrecken des 2.
Weltkrieges als Jugendlicher erfahren musste. Das einsätzige Werk stellt
an die Instrumentalisten hohe Ansprüche. Verschiedene Klangcharaktere, Tempo-
und Taktwechsel, extreme Dynamik prägen die Themen, die u.a. aus den vertonbaren
Buchstaben gewonnen sind. Abgeschlossen wird das Werk mit einer Passacaglia,
die sich im Nichts verliert. Heidi
Ilgenfritz: Werkanalyse (Auszüge) 1997
plante Karl-Heinz Schickhaus im Rahmen der Münchner Hackbrett-Konzerte eine
Matinee "In memoriam Wolfgang Borchert". Sie sollte am Totensonntag,
dem 23. November, der nur drei Tage nach dem 50. Todestag Borcherts war, stattfinden.
Karl-Heinz Schickhaus bat nun Bertold Hummel um eine Komposition, die mit Wolfgang
Borchert etwas zu tun haben sollte. Als Besetzung schlug er dem Komponisten Hackbrett
und Viola vor. Bertold Hummel, der selbst kurze Zeit in Kriegsgefangenschaft
gewesen war, bezeichnet Borcherts bekanntestes Werk "Draußen vor
der Tür" als das Hörspiel seiner Generation. Bevor er
mit der Arbeit an der Fantasia Poetica begann, las er zunächst dieses "Stück,
das kein Theater spielen und kein Publikum sehen will", so Borcherts
Untertitel, noch einmal, vor allem um die Stimmung richtig erfassen zu können.
Er nahm aber auch in gewisser Weise formalen Bezug. Wie in einer Erzählung
handelt es sich bei der Fantasia Poetica um eine Aneinanderreihung verschiedener
Themen. Hummel komponiert nicht die Form nach, aber die einzelnen Abschnitte des
Werkes sind vergleichbar mit den Stationen Beckmanns. Am Ende des Theaterstücks
und der Fantasia Poetica wird der Bezug am deutlichsten: "Draußen
vor der Tür" endet mit der wiederholten Frage: "Warum
schweigt Ihr denn? Warum? Gibt denn keiner eine Antwort? Gibt denn keiner,
keiner Antwort???" Genauso
wiederholt Hummel das letzte Thema mehrmals, er verlangsamt und verbreitert es
und lässt es schließlich mit Pizzicato-Flageolett-Tönen im pianissimo
ausklingen. Er setzt über den letzten Ton eine Fermata lungo und schreibt
als letzte Anweisung al niente (ins Nichts). In
der Fantasia Poetica verwendet Hummel drei Kryptogramme. 1. Zunächst
möchte ich eingehen auf die musikalisch umsetzbaren Buchstaben von W-O-L-F-G-A-N-G
B-O-R-C-H-E-R-T , weil Hummel diese dem Spieler im Deckblatt verrät.
Zum ersten Mal erscheint dieser Name im ersten Teil in Takt 65/66 in der Viola
und wird in Takt 67/68 sofort vom Hackbrett übernommen, dann jedoch nicht
weiter verarbeitet.Für den zweiten Teil verwendet Hummel das "Wolfgang
Borchert"-Thema als Ritornell, das insgesamt fünfmal wiederkehrt. In
der Passacaglia bildet das "Wolfgang Borchert"-Thema die Grundlage für
zehn verschiedene Variationen und ein Zwischenspiel. Insgesamt bringt Hummel dieses
Kryptogram also 18 mal innerhalb der Fantasia Poetica. Der Name bekommt dadurch
besonderes Gewicht, denn auch wenn dem Zuhörer nicht bewusst ist, dass es
sich um die kryptographische Umsetzung von Wolfgang Borchert handelt, wird er
doch das Wiederkehren des Themas in jedem Fall bemerken. 2.
Versteckt hat Hummel aber auch den Namen des Widmungsträgers. S -
C - H - I - C - K - H - A- U - S Am Anfang dreimal
hintereinander in Takt 5/6, sowie im nächsten Abschnitt Takt 11/12 und vier
Takte später eine große Sekunde nach oben gerückt. Am Ende
der Quasi Cadenza erfolgt durch das "Schickhaus"-Thema die Umspielung
des Kadenztrillertons es, zunächst zweimal im Hackbrett, dann augmentiert
und um eine Sextmixtur nach oben erweitert in der Viola. Auch im Abschnitt
des Allegro-Teils greift Hummel das "Schickhaus"-Thema auf. Er bringt
es dreimal in Folge in derselben Form, nämlich in Mixtur mit der Oberquinte,
wobei er die Dynamik von mal zu mal steigert. Ein letztes Mal verwendet er
das Thema am Anfang der Coda. Insgesamt taucht das "Schickhaus"-Thema
also 13 mal innerhalb der Fantasia Poetica auf. Während also das "Borchert"-Thema
vor allem im zweiten Teil und der Passacaglia laufend erscheint und verwandelt
wird, so dass die Wiederholung des Themas kaum zu überhören ist, kommt
der Name Schickhaus (übrigens ohne seinen Vornamen) etwas seltener und an
weniger exponierten Stellen vor. Außerdem wird er deutlich weniger verarbeitet. 3.
Darüber hinaus versteckt Hummel, wie in seinen meisten Werken, quasi als
Signatur, seinen eigenen Namen. Er lässt ihn die Fantasia Poetica
wie ein Klammer umschließen: Im ersten Takt der Vorname B-E-R-T-O-L-D
. Die dazwischenliegenden Töne stellen lediglich eine aufgelöste Septim-Mixtur
dar. In den letzten beiden Takten erscheint der Nachname: H-U-M-M-E-L.
Auch hier wird wieder in aufgelöster Mixtur, diesmal mit einer kleinen None.
Auch das ganztönige "Bertold"-Thema, mit dem das Stück beginnt,
verwendet Hummel noch mehrmals. er wiederholt es zunächst in Takt 3/4 , und
verwendet es dann hauptsächlich an den kadenzartigen stellen: zunächst
Takt 83/84, dann in der quasi Cadenza Takt 157-160 und noch einmal
in takt 186-191. dabei wird dieses Thema nur rhythmisch variiert, nicht aber umspielt
oder in Mixtur gesetzt. dadurch bleibt es immer leicht zu erkennen. Die
einzelnen Abschnitte der Fantasia Poetica: 1. Teil (ohne Bezeichnung)
- Takt 1 bis 98 2. Teil (ohne Bezeichnung) - Takt 99 bis 201 3. Teil (Passacaglia)
- Takt 202 bis 268 4. Teil (Coda) - Takt 267 bis 295) (aus
der Diplomarbeit von Heidi Ilgenfritz: Werkanalyse der "Fantasia Poetica"
op. 101b für Hackbrett und Viola von Bertold Hummel, Richard-Strauss-Konservatorium,
München 2002) |