Boris Goldstein (25. Dezember 1922 Odessa - 8. November 1987 Hannover) Zurück zur Verzeichnisliste |
Im Jahre 1975 hatte ich erstmals die Gelegenheit Boris Goldstein zu begegnen. Bei einem Konzert in Bad Kissingen konnte ich die grossartigen Qualitäten dieses Ausnahmegeigers kennen lernen. - In meiner damaligen Eigenschaft als Vizepräsident der Hochschule für Musik in Würzburg gelang es mir, Boris Goldstein zu bewegen, sich für eine neu zu besetzende Professur für Violine zu bewerben. Nach einer fulminanten künstlerischen und pädagogischen Vorstellung war seine Berufung nur noch eine Formsache. Bald nach Antritt seiner Stelle meldeten sich die ersten Schüler, die sich aus dem In- und Ausland für seine Meisterklasse bewarben. Der internationale Ruf des prominenten Lehrers verbreitete sich rasch, so dass im Laufe weniger Jahre das geigerische Niveau an der Hochschule beachtlich angehoben werden konnte. Sein intensiver - manchmal unerbittlicher - Unterricht der "russischen Schule" zeitigte bei den Studenten ungewöhnliche Erfolge. Die Goldstein-Klassenabende waren jeweils ein besonderes Ereignis. Besondere Initiativen - etwa eine große Heifetz-Soirée zum 8. Geburtstag des verehrten Altmeisters - fanden allenthalben grossen Anklang. Die wesentlichen Würzburger Goldstein-Schüler sind (alphabetisch aufgelistet): F. Barbari, Th. Berg, E. Bovensberg, M. Brokate, F. Brumat, L. Fischer, M. Fischer, J. Frucht, M. Guttmann, J. Haus, M. Herr, M. Kordowich, W. Krönner, O. Nodel, A. Nordmeyer, R. Novacek, T. Mehlin, A. Meshibowsky, E. Meyer-Berkhout, A. Pasternak, M. Perl, A.-M. Sirén, A. Skwortsow, K. Stojanow, J. Szentpali-Gavaller, M. Szykulski, F. Tempel, I. Varenberg, I.v. Weienberg, W. Zippelius. Die meisten von ihnen bekleiden heute wichtige Stellungen im nationalen und internationalen Musikleben. Durch sein freundliche und liebenswürdige Art im Umgang, war Boris Goldstein in der ganzen Hochschule - bei Kollegen, Studenten und Bediensteten geschätzt und beliebt. Ich persönlich verdanke ihm wertvolle Anregungen als Komponist. In enger Zusammenarbeit entstanden die Dialoge für Violine und Orgel op. 63, ein anspruchsvolles, 3- sätziges Werk, das am 7. Oktober 1977 seinen glänzende Uraufführung durch Boris Goldstein und den Organisten Manfred Brandstetter in Hannover erlebte. Es folgte eine Schallplatteneinspielung mit dem Organisten und Komponisten Claus Kühnl. Auch hierfür gab es sehr positive Rezensionen. Mit freundschaftlichem Rat begleitete Boris Goldstein die Komposition meiner Suite für Violine solo op. 78, die im Jahre 1982 entstand. Als Dirigent eines Kammerorchesters hatte ich Gelegenheit mit Boris Goldstein als Solisten das Violinkonzert in E-Dur von J.S. Bach wiederholt zur Aufführung zu bringen. Da ich inzwischen zum Präsidenten der Hochschule gewählt worden war, war es mir möglich, einige wichtige Verbindungen zu Rundfunkanstalten und Schallplattenfirmen für Boris Goldstein zu knüpfen. In all den Jahren des gemeinsamen Wirkens an der Hochschule für Musik in Würzburg ist eine vertrauensvolle Freundschaft gewachsen, getragen von gegenseitiger Hochachtung und menschlicher Sympathie. Während einer Nordamerikareise im Herbst 1987 erreichte mich die Nachricht von seinem plötzlichen Tod, so dass ich ihm zu meinem großen Bedauern nicht die letzte Ehre erweisen konnte. Der unersetzliche Verlust wurde und wird von einer großen Schar seiner Freunde betrauert. Boris Goldstein hat eine tiefe künstlerische und menschliche Spur hinterlassen! Sein Andenken bleibt mir in dankbarer Erinnerung. Bertold Hummel
Boris Goldstein, Alexander Skwortsow und Bertold Hummel 1980 Biografie Boris Goldstein, 1922 in Odessa geboren, war schon in jungen Jahren eine herausragende Geigerpersönlichkeit. Bereits als Zehnjähriger spielte er mit dem Moskauer Rundfunkorchester im Radio das Mendelssohn-Violinkonzert und begründete damit eine aufsehenerregende Karriere. Seine Lehrer waren P. Stoljarski, A. Jampolsky, L. Zeitlin und K. Mostras. Der junge Geiger gewann alsbald Preise bei den renommierten Wettbewerben in Moskau, Warschau und Brüssel, denen sich triumphale Konzerte in vielen europäischen Hauptstädten anschlossen. Berühmte Musiker wie Kreisler, Prokofieff, Heifetz und Menuhin haben sich bewundernd über Goldsteins Spiel geäußert. Zu seinen Konkurrenten bei den internationalen Wettbewerben zählten David Oistrach, Ida Haendel, Arthur Grumiaux. Nach einer Aufführung beim Wieniawski-Wettbewerb in Warschau meinte kein Geringerer als Heinrich Neuhaus über den jungen Goldstein; "Man ist verblüfft vom sinnvollen und reifen Spiel, vom Stilgefühl, von der Tiefe und Genauigkeit seiner Darbietungen, um die ihn viele Meister beneiden würden." In der Sowjetunion bespielte Boris Goldstein zahlreiche Schallplatten und Bänder mit Werken der Violin- und Kammermusik, darunter auch Werke, die speziell ihm gewidmet wurden. Er spielte regelmäßig im Rundfunk und machte sehr viele Aufnahmen. Prokofieffs 2. Violinkonzert erfuhr durch ihn die Uraufführung unter der Leitung des Komponisten. 1974 emigrierte Boris Goldstein aus der damaligen UDSSR nach Deutschland, wo er ab 1976 eine Meisterklasse als Professor an der Hochschule für Musik in Würzburg leitete. Seine Auftritte als Geiger in Deutschland und Westeuropa waren unvergessene Glanz- und Höhepunkte seiner Karriere. Wo er auftrat, wurde er von Publikum und Presse gefeiert: "... ein legendärer Geiger... ein Meister der großen slawischen Schule des Geigenspiels ... " (Daily Telegraph, London, 1986). Ab 1981 unternahm Boris Goldstein mit seiner Tochter Julia viele In- und Auslandstourneen in Spanien, Italien, Frankreich, Belgien mit überwältigendem Erfolg. Als Pädagoge zählte Goldstein zu den erfolgreichsten auf diesem Gebiet. Viele seiner Schüler wurden Preisträger auf verschiedensten internationalen Geigenwettbewerben. Boris Goldstein starb 1987 in Hannover. |