BERTOLD HUMMEL - Texte zu den Werken: Vier Chansons


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Vier Chansons nach Gedichten von Mascha Kaléko für 3stimmigen Frauenchor a capella (1959)

Kolonialwaren-Handlung

Keinbahnstraße

Einem Kind im Dunkeln

Schienen-Sehnsucht

Aufführungsdauer: 8 Minuten

Verlag: Gustav Bosse Verlag Regensburg (Rechte erloschen)

 

Der Verleger Bernhard Bosse wendete sich im Oktober 1958 auf Anraten von Harald Genzmer an Bertold Hummel und wünschte sich von ihm für seine neuen Editionsreihen beim Gustav Bosse Verlag Regensburg tatkräftige Mitarbeit. Musikhistorisch interessant ist die in einem Brief vom 28.10.1958 an Hummel formulierte Zielsetzung des Verlegers:

Ich möchte leichte Musik verlegen, die von der Musik und vom Text her gekonnt ist, die von der Wirkung her gesehen wirklich den Menschen unserer Zeit, ganz besonders den Großstadtmenschen, die Großstadtjugend anzusprechen vermag. Der Tanz, das Lied und zeitgemäße Orchesterstücke für Besetzungen wir sie in einem Schülerblasorchester oder in den zahllosen kleinen Jazz-Combos u.ä. Kombinationen finden, sollten gemacht werden. Es soll einfach eine "Gebrauchsmusik" sein, die dem Spiel und der Unterhaltung dient, so wie sie etwa noch bis zum ausgehenden 18. Jahrhundert im ganzen Volk verbreitet und möglich war (z.B. Haydn, Mozart, Beethoven und Schubert schrieben mit "derselben" Hand Symphonien, Opern, Tanz und Unterhaltungsmusik). Die neue "Leichte Musik" soll irgendwie aus dem Großstadtmilieu herauswachsen, da ich glaube, daß heute die Großstadt der Lebenskreis des musisch aktiveren Bevölkerungsteils in Deutschland, wohl aber auch in den meisten anderen Industrieländern der Welt ist. Es soll also ein Typus "Volksmusik" geschaffen werden, der diesem Kreis entspricht.

Im Februar 1956 edierte der Rowohlt Verlag eine Neuausgabe des vor dem Weltkrieg so erfolgreichen Lyrischen Stenogrammheftes von Mascha Kaléko und leitet damit eine Renaissance der Werke der jüdischen Dichterin in Deutschland ein. Auch dem Verleger Bernhard Bosse war die Beliebtheit der melancholisch-heiteren Verse der "Berliner Großstadtlerche" nicht entgangen und er beauftragte Bertold Hummel 1959 einige dieser Gedichte für seine neu gegründete Verlagsreihe "Chanson, Lied und Song" zu vertonen.

Seine Vorstellungen zu diesen Kompositionen präzisierte er am 29. 1. 1959 folgendermaßen:
Ich möchte gerne von Ihnen einige Texte, die ich Ihnen in der Anlage sende, vertont haben. Es sind alles Texte von Mascha Kaléko. Sie sollen zu Chören verarbeitet werden, für 3 gleiche Stimmen, Umfang g-f'' und so angelegt, daß die Männerstimmen dann entsprechend eine Oktave tiefer G-f' liegen können. Die Chöre sollten so gearbeitet sein, dass sie sich in Form einer kleinen Suite im Zusammenhang vortragen lassen, und daß sie sich auch einzeln, ohne Zusammenhang mit den anderen singen lassen.

Das Chanson Schienen-Sehnsucht wurde bei der Drucklegung nicht berücksichtigt.

 

Zu dem Gedicht: Kolonialwarenhandlung:

Nachdem die Dichterin nach den Ereignissen des 2. Weltkrieges lange nicht nach Deutschland kommen wollte, reiste sie im Januar 1956 doch zu einer Buchedition nach Berlin und ging durch die ihr damals vertrauten Straßen. In einem Brief an ihren Mann in New York schrieb sie: Das Viertel " … sei herrlich, mit Bäumen dicht besetzt, die auch jetzt in der Winterkahlheit von einem mächtigen Zauber sind und mich an alte deutsche Märchen und "Damals" heftig erinnern, und wenn ich Zeit hätte, würde ich Tage herum streifen nur in den Straßen, und Läden aufsuchen, die genau so sind wie in meinem alten Gedicht Kolonialwarenhandlung."

Zu Einem Kind im Dunkeln:

Das Gedicht Einem Kinde im Dunkeln schrieb Mascha Kaléko 1930 für ihre kleine Schwester Rachel.