BERTOLD HUMMEL - Texte zu den Werken: opus 94


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Friedensbotschaft der Apokalypse für gemischten Chor und großes Orchester op. 94 (1991)


Uraufführung: 7. Februar 2015, Würzburg, Neubaukirche
MonteverdiChor Würzburg / Vogtland Philharmonie / Matthias Beckert



Orchesterbesetzung: 1.1.1.1.-3.3.3.1. - percussion (3), Harfe, Orgel, Streicher

Aufführungsdauer:
6 Minuten


Autograph:

Titel: Die Wiederkunft des Herrn op. 94
Umfang: 13 Seiten
Datierung: -

Verlag: Bertold Hummel-Stiftung

Video: Hummelwerke auf youtube


Gemischter Chor:
Gnade sei mit euch und Friede
von Ihm, der ist und der war und der kommt, und von den sieben Geistern vor seinem Thron und von Jesus Christus;
Männerchor:
er ist der treue Zeuge, der Erstgeborene der Toten, der Herrscher über die Könige der Erde.
Frauenchor:
Er liebt uns und hat uns von unseren Sünden erlöst durch sein Blut;
Männerchor:
er hat uns zu Königen gemacht und zu Priestern vor Gott, seinem Vater.
Gemischter Chor:
Ihm sei die Ehre und die Macht in alle Ewigkeit. Amen.

(Offenbarung 1, 4-6)


Bertold Hummel konzipierte 1990/91 in Zusammenarbeit mit dem Würzburger Bischof Paul-Werner Scheele eine Kantate mit Texten der Apokalypse, die zur Einweihung der neugestalteten St. Michaelskirche des Würzburger Priesterseminars uraufgeführt werden sollte. Aus verschiedenen Gründen zögerte Hummel, der sich bereits im Jahr 1980 in seinem vielleicht bedeutendsten Orchesterwerk Visionen nach der Offenbarung des Hl. Johannes" op. 73 intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt hatte, bei der Komposition. Die  Friedensbotschaft der Apokalypse, die das Werk eröffnen sollte, notierte er aus und schenkte die Partitur Paul-Werner Scheele zum 63. Geburtstag.


Das Fragment "Von der Wiederkehr des Herrn
- Kantate nach der Apokalypse des Hl. Johannes für Soli, gemischten Chor und großes Orchester"

I.

Gemischter Chor:
Gnade sei mit euch und Friede
von Ihm, der ist und der war und der kommt, und von den sieben Geistern vor seinem Thron und von Jesus Christus;
Männerchor:
er ist der treue Zeuge, der Erstgeborene der Toten, der Herrscher über die Könige der Erde.
Frauenchor:
Er liebt uns und hat uns von unseren Sünden erlöst durch sein Blut;
Männerchor:
er hat uns zu Königen gemacht und zu Priestern vor Gott seinem Vater.
Gemischter Chor:
Ihm sei die Ehre und die Macht in alle Ewigkeit, Amen.

(Offenbarung 1, 4-6)

Der erste Satz (94 Takte) liegt in Reinschrift vollständig ausinstrumentiert vor.

II.

Johannes (Sprecher):
"Am Tage des Herrn wurde ich vom Geist ergriffen und ich hörte hinter mir eine Stimme, laut wie eine Posaune."
"Als ich mich umwandte, sah ich sieben goldene Leuchter, und mitten unter den Leuchtern einen, der aussah wie ein Mensch;
er war bekleidet mit einem Gewand, das bis auf die Füße reichte,
und um die Brust trug er einen Gürtel aus Gold:
Gemischter Chor:
Siehe er kommt, siehe er ist da!
Sein Haupt und seine Haare sind weiß wie weiße Wolle,
leuchtend weiß wie Schnee,
und seine Augen wie Feuerflammen;
Johannes (Sprecher):
Ich hörte: Seine Stimme war wie das Rauschen von Wassermassen
und ich sah: In seiner Rechten hielt er sieben Sterne,
und aus seinem Mund kam ein scharfes, zweischneidiges, Schwert
und sein Gesicht leuchtete wie die machtvoll strahlende Sonne.
Als ich ihn sah, fiel ich wie tot vor seinen Füßen nieder.
Er legte seine rechte Hand auf mich und sagte:
Bariton:
"Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige.
Ich war tot, doch nun lebe ich in alle Ewigkeit, und ich habe die Schlüssel
zum Tod und zur Unterwelt. Teile mit, was du gesehen hast, was ist und was danach geschehen wird."
Gemischter Chor:
Mitten unter sieben Leuchtern, in unser aller Mitte ist der Herr
In seiner Rechten hält er sieben Sterne und seine Rechte hält uns alle
Herr, erbarme dich!
Kyrie eleison! Miserere Domini!
Lord, have mercy! Seigneur, aie pietié de nous!
Gospodi pomilju! Miserere nobis.

Der zweite Satz (125 Takte) ist auskomponiert. Die Instrumentierung teilweise nur angedeutet.


Beflügelt vom großen Erfolg des Oratoriums Der Schrein der Märtyrer kam der Librettist und Bischof von Würzburg Paul-Werner Scheele im Dezember 1990 erneut auf Bertold Hummel zu und bat ihn, für die feierliche Einweihung der neugestalteten St. Michaelskirche des Priesterseminars Würzburg ein oratorisches Werk zu komponieren. Figuren und Szenen der Apokalypse, entworfen von dem Bildhauer Heinrich Gerhard Bücker (1922-2008), der auch den Kiliansschrein gestaltete, sollten eine musikalische Entsprechung finden. In bewährter Art und Weise gestaltete Scheele eine Textcollage aus der Apokalypse des Heiligen Johannes, die er nach Gesprächen mit dem Komponisten immer wieder veränderte.
Starke Zweifel an einer neuen großdimensionierten Oratoriumskomposition nach Der Schrein der Märtyrer, den er schon bald als sein opus summum betrachtete, verzögerten den Kompositionsbeginn. Auch hatte er sich mit dem Thema der Apokalypse in seinem vielleicht bedeutendsten Orchesterwerk, den Visionen op. 73 im Jahr 1980 so intensiv auseinander gesetzt, dass eine vokale Variante des Stoffes für ihn nicht mehr zwingend notwendig war.
Scheele freundschaftlich verbunden, hatte er dennoch das Gefühl diesen Auftrag nicht ablehnen zu sollen. Zum 63. Geburtstag des Bischofs überreichte er ihm die 94taktige ausinstrumentierte Partitur des Eröffnungschores (Das Bleistift-Particell trägt das Datum 14.2.1991). Der Titel lautet: Die Wiederkehr des Herrn, op. 94. Der darauffolgende Auftritt des Propheten Johannes als Sprecher und die teilweise gesprochen Passagen des 7-sprachigen Miserere ist schon nicht mehr vollständig instrumentiert und lässt ein Umdenken des Komponisten bei der Konzeption dieses Werkes erahnen.

"Ja ich komme bald" war der Titelvorschlag Scheeles für eine Verkleinerung des Projektes. In 7 Teilen sollte nun der Bogen gespannt werden:
I. Der wiederkommende Herr inmitten der 7 Leuchter
II. Die 7 Gemeinden
III. Die 4 Reiter
IV. Die 7 Engel und die 7 Posaunen
V. Die Frau, das Kind und der Drache
VI. Die 3 x 7 Ältesten
VII. Der Herr, der alles neu macht


Die Besetzung war nun so geplant: Kammerchor + Sprechchor, Sprecher, 5 Solisten (Sopran, Alt, Tenor, Bariton, Bass). Das Orchester sollte aus 7 Musikern bestehen: Orgel, Flöte (Picc + Bassfl.), Klarinette (Bassklar. + Picc.klar.), Posaune (Tenor-, Alt- und Bassposaune), , Violoncello, Harfe und Schlagzeug.

Sein ehemaliger Schüler Jürgen Schmitt, der sich als Spezialist für elektronische Klangkompositionen einen Namen gemacht hat, schreibt in einem Nachruf 2003, dass "Hummel ganz konkrete Pläne im Sinn hatte: die Elektronische Musik. Wir hatten bereits eine Ortsbesichtigung in der Universitätskirche vorgenommen, für die er ein Werk für Chor, Orchester und diverse Solisten mit flexibler Elektronik unter Nutzung räumlicher "mehrchöriger" (elektronischer ) Anordnungen in Auftrag genommen hatte. Er hatte mich als Berater und Mitarbeiter für die elektronischen Aspekte seiner Komposition ins Auge gefasst. Leider ist es zur Ausarbeitung nicht mehr gekommen."
Von diesen Überlegungen zeugt eine völlig anders geartete Textvorlage von Scheele mit dem Titel Kantate "Von der Wiederkehr des Herrn" (nach der Apokalypse des Johannes), die mit dem Vermerk "letzte Fassung!" nach seinem Tod auf Hummels Arbeitsklavier lag.
Mit seinen vier Teilen (I. Unsere Zukunft, II. Die apokalyptischen Reiter, III. Die Frau, das Kind und der Drache, IV. Der Herr, der alles neu macht) liegt eine echte Kantatenform vor.
Die Orchesterbesetzung wurde von Hummel folgendermaßen skizziert: Flöte (Alt, Bass, Picc.), Oboe (E.H.), Klarinette (Es + Basskl.), Fagott (+ Kfg.), Trp., Pos., Horn i. F, Harfe, Streichquintett, Schlagz. Orgel und Elektronik (Zuspielband). Ein 95taktiges flüchtig mit Bleistift skizziertes Particell zeigt, dass er an ein Kammerorchester dachte, welches räumlich an verschiedenen Positionen zu spielen hatte. An Gesangssolisten schwebte ihm - wie er mit mir besprach - jeweils eine Sopran - und eine Baritonstimme vor. Auch überlegte er immer wieder die Hereinname moderner Texte.

Überraschenderweise nahm er bei Drucklegung des letzten von ihm edierten Werkverzeichnisses im Jahr 2000 dennoch den Titel "Von der Wiederkehr des Herrn" (nach der Apokalypse des Johannes), op. 94 auf und fixierte, obwohl damals nur etwa 8 Minuten komponiert waren, die Aufführungsdauer des Werkes mit 50 Minuten.

Martin Hummel