BERTOLD HUMMEL - Texte zu den Werken: opus 88b


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Fünf Lieder nach Gedichten von Joseph von Eichendorff für mittlere Singstimme und Klavier, op. 88 b (1987/88)

I. Aus schweren Träumen

II. Der wandernde Musikant

III. Kurze Fahrt

IV. Unfall

V. Todeslust

 

Uraufführung: 9. März 1988, Würzburg, Hochschule für Musik
Martin Hummel / Ernst Ueckermann

Aufführungsdauer: 13 Minuten

Autograph:
Titel: 5 Lieder nach Texten von Jos. v. Eichendorff op. 88b
Umfang: 19 Seiten
Datierung: I. Aus schweren Träumen - / II. Wanderlied 28.12.87 / III. Kurze Fahrt 23.12.87 / IV. Unfall 4.1.88 7 V. Todeslust 1.1.88
Aufbewahrungsort:

Verlag: Schott Music ED 20286 / ISMN: M-001-14991-4
Druckfehler in dieser Ausgabe:
Seite 11 ("Unfall"), 1. Takt: linke Hand: Violinschlüssel statt Bassschlüssel
Seite 11("Unfall"), 3. System, letzter Takt: linke Hand: Violinschlüssel statt Bassschlüssel, rechte Hand: Akkord auf die Viertelzählzeit: mf mit Akkzent
Seite 17 ("Todeslust"), 4 System, 1. Takt: f mf statt fp

II.Der wandernde MusikantIV. Unfall V. Todeslust

Die hier angegeben Reihenfolge der Lieder wurde vom Komponisten bei einer zyklischen Aufführung empfohlen.

 

Die zum 200. Geburtstag des Dichters J.v. Eichendorff (1988) entstandenen Lieder stellen den Versuch dar, in unserer Zeit dem "Ton" der Gedichte nachzuspüren — nicht in Strophenliedern sondern in "Liedszenen", in kleinen "Dramen", bei denen das Klavier in differenzierter Weise charakterisiert, was die Singstimme vorträgt.

Bertold Hummel

 

"Aus schweren Träumen" steht sinnvollerweise am Anfang des spätesten Hummel-Zyklus (1988) auf Gedichte von Joseph von Eichendorff, denn auch der Dichter hat diese Verse als Motto seinen "Romanzen" vorangestellt. Eichendorff nach Robert Schumann zu komponieren, hatte schon für Hugo Wolf eine Herausforderung bedeutet. Im Gegensatz zu Schumann betonte er daher Eichendorffs realistische und humoristische Seite. Auch Bertold Hummel tut das im violin-vernarrten "Der wandernde Musikant" und in "Unfall". In diesem Lied gewinnt der Komponist der unvermuteten Begegnung mit Amor und seinem Geschoß viel groteskere Züge ab als Hugo Wolf mit seiner gemächlichen Vertonung. Hierzu trägt häufiger Taktwechsel ebenso bei wie der oft schnelle Übergang in extreme Lagen des Klaviers. Doch nicht nur das ernste Motto schlägt auch für diesen Zyklus den "rechten Grundton" an (in den letzten sieben Takten von "Aus schweren Träumen" wird das A von den Linien des Gesangs und des Klaviers umkreist, bis es schließlich als ausgehaltener Baß sich durchsetzt): in "Kurze Fahrt" und in der abschließenden "Todeslust" finden Endgefühle ihren starken Ausdruck. Der "rechte Grundton" (D) dieses letzten Liedes - Basis für die Evozierung der "wunderbaren Nacht" - löst sich schließlich aus der Tiefe und verklingt in heller Mittellage eines weit auseinandergezogenen D-DurSextakkordes. Auch dies - wie meistens in Hummels Liedern - ein offener Schluß, dennoch reiner Dreiklang.

Wolfgang Osthoff (in "Zu den Liedern Bertold Hummels", Tutzing 1998)

 

Wolfgang Osthoff
Zu den Liedern Bertold Hummels

 

Aus schweren Träumen
Aus schweren Träumen
fuhr ich oft auf

und sah durch Tannenwipfel
den Mond ziehn über stillem Grund und sang
vor Bangigkeit und schlummert' wieder ein. -

Ja, Menschenstimme, hell aus frommer Brust!
Du bist doch die gewaltigste, und triffst
den rechten Grundton, der verworren anklingt
in all den tausend Stimmen der Natur! -

Der wandernde Musikant
Bist du manchmal auch verstimmt,
drück dich zärtlich an mein Herze,
dass mir's fast den Atem nimmt,
streich und kneif ich in süßem Scherze,
wie ein rechter Liebestor
lehn' ich sanft an dich die Wange,
und du singst mir fein in's Ohr.
Wohl im Hofe bei dem Klange
Katze miaut, Hund heult und bellt,
Nachbar schimpft mit wilder Miene —
doch was kümmert uns die Welt,
süße, traute Violine!

Kurze Fahrt
Posthorn, wie so keck und fröhlich
Brachst du einst den Morgen an,
vor mir lag's so frühlingsselig,
dass ich still auf Lieder sann.

Dunkel rauscht es schon im Walde,
wie so abendkühl wird's hier,
Schwager, stoß in's Horn - wie balde
Sind auch wir im Nachtquartier!

Unfall
Ich ging bei Nacht einst über Land,
ein Bürschlein traf ich draußen,
das hat 'nen Stutzen in der Hand
und zielt auf mich mit Grausen.
Ich renne, da ich mich erbos'
auf ihn mit vollem Rasen,
da drückt das kecke Bürschlein los
und ich stürtz auf die Nasen.
Er aber lacht mir in's Gesicht,
dass er mich angeschossen.
Cupido war der kleine Wicht —
Das hat mich sehr verdrossen.

Todeslust
Bevor er in die blaue Flut gesunken,
träumt noch der Schwan und singet todestrunken;
die sommermüde Erde im Verblühen
läßt all ihr Feuer in den Trauben glühen;
die Sonne, Funken spühend, im Versinken,
gibt noch einmal der Erde Glut zu trinken,
bis, Stern auf Stern, die Trunkne zu umfangen,
die wunderbare Nacht ist aufgegangen.