BERTOLD HUMMEL - Texte zu den Werken: opus 8


Zurück zur Verzeichnisliste

Offenbarung neuen Lebens - Adventskantate für Alt-Solo, gemischten Chor und Kammerorchester op. 8 (1953)


Antiphon I

Choral I

Psalmodie

Choral II

Antiphon II  

Choral III

 

Uraufführung: 29. November 1953, Freiburg
Helmtrude Kraft / Kammerchor der Freiburger Staatlichen Musikhochschule / Mitglieder des Philharmonischen Orchesters Freiburg / Franz Stemmer

Instrumentation: 2 Ob. (1 auch E.Horn.), 2 Fg., 1 Trp. i.C, 2 Vla, 2 Vcl., 1 Kb.

Aufführungsdauer: 18 Minuten

Quellen: Antiphon I + II, Psalmodie: Romano Guardini: Deutscher Psalter. Nach der lateinischen Ausgabe Papst Pius' XII., Im Auftrag der deutschen Bischöfe; München, Kösel-Verlag, 1950 / Choral I: Text: um 1525; Melodie nach Michael Vehes Gesangbuch, Leipzig 1537 / Choral II: Text: Michael Schirmer, 1640; Melodie: Johann Crüger, 1640 / Choral III: Text und Melodie: Philipp Nicolai, 1599

Autograph A/B:
Titel:
"Offenbarung neuen Lebens" für gem. Chor, Altsolo + Kammerorchester / Antiphon I
Umfang: 52 Seiten / 58 Seiten
Datierung: komp. im Okt. 1953 / Psalmodie 2.Okt.53 / Choral II 3.10.53

Verlag: Schott Music
Partitur ED 21795 / ISMN: 979-0-001-19851-6
Klavierauszug ED 21795-10 / ISMN: 979-0-001-19852-3
Stimmen ED 21795-71 / ISMN: 979-0-001-19853-0


I.
II.
III.
IV.
V.
VI.

Kompositionsauftrag des Südwestfunks

 

Antiphon I (Alt-Solo und Chor) 3'30''

Chor: Gott schuf den Menschen zur Unvergänglichkeit und machte ihn zu seines eigenen Wesens Bild. (Weisheit 2,23)
Alt: Du hast ihn nur um ein Geringes unter die Engel gestellt, mit Ehr' ihn gekrönet und mit Herrlichkeit;
Du hast ihm Macht über das Werk Deiner Hände gegeben, alles zu seinen Füßen gelegt. (Psalm 8; 6,7)
Chor:
Gott schuf den Menschen zur Unvergänglichkeit und machte ihn zu seines eigenen Wesens Bild. (Weisheit 2,23)


Choral I (Chor) 2'30''

1. Aus hartem Weh die Menschheit klagt',
sie stand in großen Sorgen:
Wann kommt, der uns ist zugesagt,
wie lang bleibt er verborgen?
O Herr und Gott, sieh an die Not,
zerreiß des Himmels Ringe!
Erwecke uns dein ewig' Wort,
und lass herab ihn dringen,
den Trost ob allen Dingen.

2. Gott Vater hört' das Klaggeschrei
der schwerbedrängten Kinder,
- der Heil'ge Geist voll Lieb und Treu
will Gnade für die Sünder.
- Gott Sohn, der spricht:
Ach, Vater mein, den Jammer  lass uns enden!
Soll denn der Mensch verloren sein?
Mich selber wollest senden,
sein Elend abzuwenden.
(Text: um 1525; Melodie nach Michael Vehes Gesangbuch, Leipzig 1537)


Psalmodie (Chor) 5'30''

Willst Du uns nicht wieder Leben schenken,
auf dass dein Volk sich freue in Dir?

Zeige uns Deine Barmherzigkeit, Herr,
und gewähre uns Dein Heil.

Lauschen will ich, was Gott, der Herr, zu uns redet:
Wahrlich, Er redet Frieden,

zu seinem Volk und seinen Frommen,
denen, die sich von Herzen zu Ihm kehren.

Sicher, nah ist sein Heil allen, welche Ihn fürchten.
Seine Herrlichkeit wird in unserem Lande wohnen.

Der Herr wird uns seine Güter spenden,
und unser Land wird seine Frucht bescheren.
(Psalm 85;7-10 und 13)

 

Choral II (Chor) 2'30''

Nun jauchzet, all ihr Frommen,
zu dieser Gnadenzeit,
weil unser Heil ist kommen,
der Herr der Herrlichkeit,
zwar ohne stolze Pracht,
doch mächtig, zu verheeren
und gänzlich zu zerstören
des Teufels Reich und Macht.

Ihr Armen und Elenden
in dieser bösen Zeit,
die ihr an allen Enden
müsst haben Angst und Leid:
Seid dennoch wohlgemut,
lasst eure Lieder klingen,
dem König Lob zu singen,
der ist euer höchstes Gut.

Er wird nun bald erscheinen
in seiner Herrlichkeit,
der all' eu'r Klag' und Weinen
verwandeln wird in Freud.

Er ist's, der helfen kann,
halt't eure Lampen fertig

Und seid stets sein gewärtig,
er ist schon auf der Bahn.
(Text: Michael Schirmer, 1640; Melodie: Johann Crüger, 1640)


Antiphon II  (Alt-Solo und Chor) 3'30''

Alt: Das Alte ist vergangen, Neues ist geworden. (2. Kor. 6, 18)
Chor: Gnade hast Du, o Herr, Deinem Land erwiesen, Jakobs Schicksal zum Guten gewendet. (Psalm 85,1)
Ehre sei dem Vater und dem Sohne und dem Heiligen Geiste.
Wie es war im Anfang, so auch jetzt und allezeit, und in Ewigkeit. Amen.
Alt: Das Alte ist vergangen, Neues ist geworden.


Choral III (Chor) 6'

Wachet auf, ruft uns die Stimme
Der Wächter sehr hoch auf der Zinne,
Wach auf du Stadt Jerusalem!
Mitternacht heißt diese Stunde!"
Sie rufen uns mit hellem Munde:
"Wo seid ihr klugen Jungfrauen?
Wohlauf, der Bräutigam kommt,
Steht auf, die Lampen nehmt!
Halleluja!
Macht euch bereit zu der Hochzeit!
Ihr müsset ihm entgegengehen!"

Zion hört die Wächter singen,
Das Herz tut ihr vor Freuden springen,
Sie wachet und steht eilend auf.
Ihr Freund kommt vom Himmel prächtig,
Von Gnaden stark, von Wahrheit mächtig;
Ihr Licht wird hell, ihr Stern geht auf.
Nun komm, du werte Kron,
Herr Jesu, Gottes Sohn!
Hosianna!
Wir folgen all zum Freudensaal
Und halten mit das Abendmahl.

Gloria sei dir gesungen
Mit Menschen- und mit Engelzungen,
Mit Harfen und mit Zimbeln schön.
Von zwölf Perlen sind die Tore
An deiner Stadt, wir stehn im Chore
Der Engel hoch um deinen Thron.
Kein Aug hat je gespürt,
Kein Ohr hat mehr gehört
Solche Freude.
Des jauchzen wir und singen dir
Das Halleluja für und für.
(Text und Melodie: Philipp Nicolai, 1599)


Presse

Badische Zeitung 4.12.1953

Für die katholische Morgenfeier des 1. Advents hatte der Südwestfunk dem jungen Freiburger Komponisten Bertold Hummel den Auftrag erteilt, die Musik zu schreiben. Das "Offenbarung neuen Lebens" benannte Werk für gemischten Chor, Altsolo und Kammerorchester kam bei diesem Anlass im ersten Programm des Südwestfunks zur Ursendung. Seinen sechs Sätzen, die jeweils das gesprochene Wort der Schriftlesung oder Ansprache einleiten oder daran anknüpfen, liegen Texte des "Deutschen Psalters" in der Übertragung Romano Guardinis zugrunde. In der herben Klarheit seiner Tonsprache erscheint der von Hummel seit seiner im Vorjahr in Donaueschingen uraufgeführten Messe aufgegriffene liturgische Stil hier noch weiter zu Eigenem verdichtet. In strenger Linienführung ist die großenteils an alte kirchentonale "Psalmtöne" anknüpfende melodische Substanz verarbeitet, wobei gewisse unverkennbare Einflüsse des späten Strawinsky sich glücklich mit Formen mehrstimmiger Choralbearbeitung verbinden. "Antiphone" für Chor, Altsolo und Instrumente wechseln mit reinen begleiteten Chorsätzen und der Chor-Psalmodie ("Willst du uns nicht wieder Leben schenken") über einer Passacaglia des Orchesters. In lichter Durchsichtigkeit beschließt der streng imitierende Chor "Wachet auf, ruft uns die Stimme" das von sakraler Haltung getragene Werk, das sich mit seiner herb ausgesparten Klanglichkeit auch als hervorragend funkgerecht erwies. Dazu trägt das solistisch besetzte Kammerorchester mit je zwei Oboen und Fagotten, einer meist cantus-firmus-artig verwendeten Trompete und fünf tiefen Solo-Streichern (ohne Violinen) wesentlich bei. Um die klar profilierte Wiedergabe machten sich Helmtrude Kraft (Alt), ein Kammerchor der Freiburger Staatlichen Musikhochschule und Mitglieder des Philharmonischen Orchesters Freiburg unter Leitung von Professor Franz Stemmer verdient. Bn.



das Orchester 06/2015

Die Ausdruckstiefe dieser Adventskantate nimmt auch nach mehr als fünfzig Jahren immer noch gefangen. Die lebhafte Rhythmik und die harmonischen Ausschweifungen machen den Satz dicht, aber immer noch durchhörbar. Hummel achtet auf die Nuancen der Textvorlage. Da stört auch sein Rückgriff auf barocke Formen wie die der Passacaglia wenig. Er wärmt nicht die Musikgeschichte wieder auf, im Gegenteil, solche Reminiszenzen ergeben sich wie zwangsläufig aus dem Werk selbst.
Die Offenbarung neuen Lebens ist eine spannende Kantate, geschaffen in einer Zeit des Suchens nach neuen Ausdrucksformen in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts, die aber bis heute nichts von ihrer Vitalität und Aktualität verloren hat.
Markus Roschinski


Vorschlag für Programmgestaltung einer Adventsfeier mit der Kantate "Offenbarung neuen Lebens":

Antiphon I
a) Lesung: Genesis 1, 26f; 2, 16f; 3, 1-7; 9; 11 6-19
Choral I
b) Ansprache 1. Teil
Psalmodie
c) Lesung: Jesajas 35, 1-10
Choral II 
d) Ansprache 2. Teil
Antiphon II
e) Lesung: Geheime Offenbarung 21, 1-8
Choral III