Claus Kühnl *1957


Zurück zur Verzeichnisliste

Dunkle Frage (2003) für vier Kontrabässe
in memoriam Bertold Hummel

Uraufführung: 14. März 2004, Würzburg, Hochschule für Musik
Michinori Bunya / Katrin Triquart / Choul Won Pyun / Ryutaro Hei


Aufführungsdauer:  7 Minuten

Verlag:
Musikverlag Hofmeister FH 3226

Eine Art Passacaglia über eine Zwölftonfolge: pasar una calle: in diesem Fall die Darstellung eines Kondukts, welcher binnen kurzem, durch einen Aufschrei unterbrochen, ins Stocken gerät. Dieser Wechsel zwischen relativ gleichmäßigem Schreiten und Episoden, die sich durch gewisse, dem Denken des Komponisten Bertold Hummel verwandte, rhetorische Figuren auszeichnen, bestimmt die Gesamtform.

Claus Kühnl


"Offene Weite..." (1996/99) für Kontrabaß und Klavier (Flügel)

Uraufführung: 20. Oktober 1997, Würzburg
Michinori Bunya / Catherine Vickers


Aufführungsdauer: 26 Minuten

Verlag:
edition gravis EG 570 (aufwändig kalligrafiertes Aufführungsmaterial) 


Ein Kaiser trifft mit dem Urpatriarchen Bodhidharma zusammen.
Mit der Wichtigtuerei und Ahnungslosigkeit des Laien und Weltmanns
fragt er ihn:
"Welches ist der höchste Sinn der heiligen Wahrheit?"
Der Patriarch antwortet:
"Offene Weite - nichts von heilig."

Josef Knecht an Carlo Ferromonte
(Hermann Hesse / 1960)


Die Komposition besteht aus einem Satz, der in sechs Sektionen gegliedert ist, die wiederum in weitere Sektionen unterteilt sind:

I. Introduktion 1 (langsam)
II. Introduktion 2 (schnell - langsam)
III. 10 Variationen (wechselnde Tempi)
IV. Cantabile (langsam)
V. Ritmico (schnell)
VI. Coda (langsam)

Ab Introduktion 2 werden die Tonhöhenbeziehungen durch eine Folge von 40 Tönen reguliert, wobei jedem Buchstaben des Satzes OFFENE WEITE - NICHTS VON HEILIG und der Spiegelung der Worte NICHTS HEILIG ein Ton zugeordnet wurde (Der Buchstabe G wurde wie CH behandelt). Die so entstandene Tonfolge enthält alle 12 chromatischen Töne mit entsprechenden Tonwiederholungen, beginnend und schließend mit dem Ton d, welcher desöfteren im Verlauf der Komposition als horizontaler Zentralton benutzt wurde. Daneben wurde der Ton Fis häufig als vertikaler Zentralton gesetzt, den Ton d als 13. Partialton (temperiert) im Akkord enthaltend. Neben diesen "tonalen" Feldern gibt es auch "atonale" Reihenbildungen, gleichsam zwölftönige Konzentrate der ursprünlichen Tonfolge, indem jeder bereits vorhandene Ton übersprungen wurde. (Ab Introduktion 1).
Für die Regulierung der Tondauern machte ich häufig vom Prinzip der Isoperiodik sowie der Isorhythmik Gebrauch. In der Coda werden die Töne in drei Ebenen durch die Benutzung der Fibonacci-Proportionen-Reihe in Bezug auf die Dauern fest miteinander verspannt:
Klavier / rechte Hand: 2 3 5 8 13 21 13 8 5 3 2 1
Klavier / linke Hand: 8 13 21 13 8 5 3 2 1 2 3 5
Kontrabaß: 13 8 5 3 2 1 2 3 5 8 13 21
(7 Dauern zu je zwei Sechsergruppen sich ausdehnend und schrumpfend angeordnet.)

Den Schwerpunkt der Komposition bilden die 10 Variationen, die als eine Reihe von unterschiedlich langen in sich geschlossenen Sektionen geformt sind. Wie bei einer Mutation treten in jeder Variation unerwartet neue Klangereignisse auf, die das Material für die folgende oder übernächste Variation abgeben.

Claus Kühnl
»Merci, mes chers amis…« (2021) für Klavier   UA
I. »Timbre« in memoriam Bertold Hummel 
II. »Silence perverti« in memoriam Hans Ulrich Engelmann 
III. »Toujours« in memoriam Henri Dutilleux 

Uraufführung: 29. April 2022, Frankfurt am Main, Clara Schumann Saal
Claus Kühnl



Aus der Ferne tiefster Provinz nach Würzburg blickend war Bertold Hummel für mich, den damals Vierzehnjährigen, der erste Komponist „zum Anfassen" Und das ist er mir geblieben: ein Freund, der zuhörte, und dem ich zuhören wollte.

Claus Kühnl (Hochschulmitteilungen 2001-2002, Hochschule für Musik Würzburg)


Claus Kühnl zählt in seiner Generation zu den sogenannten „Unangepassten". Seine Werke zeichnen sich durch Fassbarkeit, klare melodische Gestik, originäre Harmonik und konsequente Formplanung aus.
Obwohl beeindruckt von Werken der französischen Meister O. Messiaen und H. Dutilleux, findet er zu ganz eigenen Form- und Klanggestaltungen. In seinen Arbeiten für Klavier, die einen der Schwerpunkte seines bisherigen Schaffens darstellen, lässt sich eine sehr phantasievolle Behandlung des Instrumentes erkennen. Die äußerst subtile Anwendung verschiedener Klangerzeugungen (auch im Inneren des Flügels) schafft das Bild eines stimmigen ästhetischen Kosmos, der auch in der Komposition „im horizont hätten fahnen zu stehen" seinen überzeugenden Ausdruck findet.
Dieser Zyklus für Klavier mit Präparationen aus dem Jahr 1987 besteht aus sieben Sätzen und drei Einschüben (Parenthesen) quasi Überleitungen mit der Funktion der Nach- bzw. Vorbereitung. Die Komposition wurde inspiriert durch ein Gedicht des Stuttgarter Malers Armin Martinmüller. Es lautet auszugsweise:
„erst geheilt
von deiner hand
befällt mich hoheit
im horizont
hätten fahnen zu stehen
beim kultlauf
zur mitte der welt"
Auch ohne Titel vermag das Werk in seiner Vielseitigkeit zu fesseln, ein Hochgenuß für sensible Hörer und ein bedeutender Beitrag zur zeitgenössischen Klaviermusik.

Bertold Hummel
(in Booklet der CD: DAS KONZERT – Andreas Weimer, Klavier, Cavalli Records, Edition Villa Concordia, Bamberg 2002)

www.claus-kuehnl.de


Siehe auch:

Claus Kühnl: Klassische Ordnung erweitert - Bertold Hummel - Komponist im zwanzigsten Jahrhundert