BERTOLD HUMMEL - Texte zu den Werken: opus 50 Zurück zur Verzeichnisliste |
Kontraste für Streicher, op. 50 (1973) II. Burleske III. Elegie IV. Vivace V. Orgelpunkt VII. Epilog
Uraufführung:
28. Oktober 1973, Mainz, Hilton Hotel Besetzung: 8 Violinen, 2 Violen, 2 Celli und 1 Kontrabaß Aufführungsdauer: 14 Minuten Autograph: Verlag: N. Simrock Hamburg-London (Boosey & Hawkes) Video: Hummelwerke auf Youtube
MSVDUH. Mein Freund D. v. B hat mich gebeten einiges zu meinem Werk zu sagen. An sich neige ich sehr stark zu der Auffassung v. I. Strawinsky, der einmal äusserte: Das einzig erlaubte Mittel für einen Komponisten - sein Publikum zu überzeugen - ist die Partitur und deren klingendes Ergebnis. Trotz dieses Richterspruches möchte ich Sie nicht ganz enttäuschen und einiges über mein Stück berichten. Die Kontraste - 7 an der Zahl - haben eines gemeinsam: die 13-stimmige, solistische Streicherbesetzung. (8 Viol. 2Br. 2Celli. 1 Kontrab.) Diesem Instrumentarium werden die gegensätzlichsten Klangereignisse abgewonnen: Vom Unisonoklang über vieltönige Akkordglissandi, Trillerketten, Flageoletts bis zum aufgefächerten 13-stimmigen Klang. - Vom Solo über auskomponierte Pedalwirkungen (- der Klaviertechnik entlehnt) bis zum Orgelpunkt in verschiedensten Klangfarben. Kurz: Die Möglichkeiten der 13 Streichinstrumente werden vielfältig genutzt - und man merkt sicherlich dem Werk an, dass sein Verfasser ein besonderes Vertrauensverhältnis zu dieser Instrumentengattung hat. Angeregt wurde dieses Tredezimett im Frühjahr 1973 durch den Konzertmeister Wolfg. Hock (wir kennen uns aus der gemeins. Freiburger Zeit.) Komponiert wurde es im August 73. Die Urauff. fand dann im Oktober in Mainz statt. Das Bad. K-O, dem das Werk gewidmet ist - spielte wie heute Abend unter der Leitung von Herrn Manfr. Reichert. Ich darf nun meinen Kontrasten hier in Kirchzarten einen guten Empfang wünschen - und Ihnen schon jetzt danken für ein aufgeschlossenes Hinhören. Bertold Hummel (Redemanuskript für Werkeinführung, Kirchzarten Oktober 1974) Bertold
Hummels 'KONTRASTE FÜR STREICHER' op.50 (1972) gliedern sich in sieben Formteile.
Das Streichorchester ist dreizehnfach geteilt. Traditionelle Kategorien wie Melodie,
Harmonie und Polyphonie sind hörbar, folgen jedoch eigenständigen Ordnungsprinzipien.
Das Tonmaterial wird von einer 12-Tonreihe abgeleitet, die im III. Teil (Elegie)
linear vollständig erscheint. Alle melodisch-linearen Gestalten gehen aus
Permutationen der Urgestalt der Reihe und aus der Arbeit mit Segmenten derselben
hervor. Für die vertikalen Klangschichtungen (Harmonik) verwendet Hummel
mit Vorliebe die beiden Transpositionen der Ganztonreihe, aber auch Terz-Quart-Klangkomplexe.
Einer spezifisch polyphon-kontrapunktischen Anordnung begegnen wir im VI.Teil
(Allegro molto). Hier werden drei Strukturen miteinander verbunden (repetitiv
rhythmisiert - Glissando - linear). Auch der V.Teil (Orgelpunkt) folgt einem ähnlichen
Prinzip (gleichmäßige Achtelpulsation-melodische Expansion). Im II.Teil
(Burleske) werden komplementäre Rhythmen an Klangkomplexe in unterschiedlichen
Tonhöhenbereichen gebunden (Pizzicati). Thomas Müller 13 Solostreicher treten in den Kontrasten zu sehr abwechslungsreichen Klangabläufen zusammen, die ihr Profil aus einer intensiv erlebten Gefühlswelt beziehen. Nach einer Introduktion als Einleitung wendet sich die Stimmung abrupt in das Groteske einer Burleske, die gefolgt wird von dem klagenden Gesang einer Elegie. Ein spielerisches Vivace leitet über zu einem der originellsten Einfälle: Der fünfte Satz nämlich lässt den Ton Fis ständig in irgendeinem Instrument erklingen, der jedoch dauernd seine Farbe und Lage wandelt. Gläsernes Flageolett, dumpfes Trillern oder Oktavierung schicken den Ton auf die Reise durch das Labyrinth der fremden Töne in seiner Umgebung. Den sechsten Satz prägen Glissandoeffekte, und ein Epilog fängt die Stimmungen des einleitenden Satzes auf. Klaus H. Stahmer (aus: Komponistenportrait Bertold Hummel, Bayerischer Rundfunk 1974) Im Mai 1981 äußerte sich Bertold Hummel in einem Brief an den Freund und Dirigenten Günther Wich, dass er sich seine Kontraste op. 50 auch in einer choreographierten Interpretation vorstellen könnte. Presse Melos 1974/II, Rezension der UA Hier ist in sieben Einzelsätzen von sehr gegensätzlichem, aber doch gut ausgewogenem Ausdruck eine reizvolle Klangwelt von gut durchhörbarer Transparenz eingefangen, die bei der Uraufführung sofort überzeugte. Burleske und Elegie sind Endpunkte einer ganzen Skala unterschiedlicher Erlebnisbereiche, die von einer meditativen Introduktion und von einem verhaltenen, melancholischen Epilog umrahmt werden. Vivace und Allegro molto polarisieren den Klangzauber eines impressiven Orgelpunkts. Es drängt sich der Vergleich mit der Gattung Streichquartett auf. Hummel hat zu einem entsprechend wandlungsfähigen Apparat gegriffen, der häufig genug in dreizehn solistisch eingesetzte Einzelstreicher zerfasert wird. Aus diesem Klangkörper holt er zarteste Klanggewebe, komische Effekte und zupackende Schlagkraft heraus. Hier scheint eine Verschmelzung von klarer Formgebung mit einem Reichtum von persönlichen Aussagewerten eingetreten zu sein. Dabei hält der Komponist das Werk jedoch frei von jedem übermässigen Pathos und kann durch sparsame Gestik weit mehr vermitteln als durch ungezügeltes Espressivo. Klaus H. Stahmer
Braunschweiger Zeitung, 1.12.1975 Als Ouverture des Abends hatte Heinz Zeebe ein wirkungssicheres Stück, die Kontraste für dreizehn Streicher (1973) von Bertold Hummel ausgewählt. Dieses sieben Einzelsätze sind freitonal in herkömmlicher Notation geschrieben und zeichnen sich durch differenzierten Farbenreichtum aus. Die in einem zart verklingenden Epilog ausmündenen Stücke wurden von den Streichern exzellent und klangsinnig musiziert.
Orchester 1973 Neben B. Brittens "Simple Symphony", die heute wohl in kaum einem Repertoire eines Streichorchesters fehlt und auch in Mainz zum Abschluß gespielt wurde, konnten sich diese neuen Orchester-Miniaturen hervorragend bewähren. Sie versprechen, neben den "Klangfiguren" von Hummel zu echten Repertoirestücken zu werden.
Mainzer Allgemeine Zeitung 30.10.1973 Hummels Werk ist gemäßigt modern, ein Fest von Klangnuancen fürs Ohr, ein geradezu "angenehmes" Opus, das mehr erfreute als erschütterte. Subtile Gewebe aus fremden Harmonien erscheinen über normalen Dreiklang-Akkorden. Das Schwebende, Schwirrende dominiert, mit Flagolett-, Glissando- und Triller-Effekten, mit kostbaren Orgelpunkt. Es ist ein anspruchsvolles koloristisches Ereignis eingerichtet für die Rafinessen der Streicherkunst, denen es obliegt, gelegentlich einen Oboen- oder Fagott-Effekt heraufzubeschwören.
Stuttgarter Zeitung 18.6.1974 Von den Kammerorchesterwerken waren die Kontraste für dreizehn Streicher von Bertold Hummel ein schön klingendes und effektvolles Stück, Musik eines freitonalen Quasi-Impressionismus, die für vornehmlich auf Barockmusik getrimmte Kammerorchester eine wohltuende Abwechslung sein sollte.
Badische Zeitung, 28.1.1974 Was sich da aus einer vorspruchartigen Geigenkadenz entwickelt, ist ein bewegtes, phantasie- und figurenreiches Stück. Hummel läßt Moden Moden sein, gibt zu verstehen, dass er auf den sonoren Vollklang des Streicherkörpers aus ist. Gut Anhörbares von einem, der viel kann, sich auf abwechslungsreichen Orchestersatz versteht und ein ungebrochenes Verhältnis zum handfesten Effekt hat. |