BERTOLD HUMMEL - Texte zu den Werken: opus 45


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Biblische Szenen für Oboe und Orgel, op. 45 (1972)

I. Auflehnung des Volkes

II. Der Glaube des Noah

III. Die Sintflut

IV. Die Errettung der Arche

V. Der Regenbogen

 

Uraufführung: 16. Juni 1972, Nürnberg, St. Lorenz
Kurt Hausmann / André Luy


Aufführungsdauer: 17 Minuten

Verlag: N. Simrock Hamburg-London (Boosey & Hawkes) ISMN M-2211-0853-1

I.II.III.IV.V.

Christophorus LP 3874

Video: Hummelwerke auf Youtube

 

Ein einheitliches Grundmaterial bestimmt die Konsequenz der verschiedenen kompositorischen Strukturen. Freideklamatorische Teile werden Abschnitten mit strengen Formabläufen gegenübergestellt. Die Überschriften sind als geistige Grundidee der entsprechenden Sätze zu verstehen. Eine Art Verbalprogramm, wie sie beispielsweise Olivier Messiaen einer Reihe seiner Werke vorangestellt hat. Im Konzert bietet es sich an, die Texte den einzelnen Sätzen voran zu stellen.

Bertold Hummel

 

1. Auflehnung des Volkes (Gen. 6: 5)
Der Herr sah, dass auf der Erde die Schlechtigkeit der Menschen zunahm, dass all ihr Sinnen und Trachten nur böse war und dass sie sich gegen seine Gesetze auflehnten.

2. Der Glaube des Noah (Gen. 6: 9, 13, 14, 17, 22, 18, 19)
Noah war ein gerechter, untadeliger Mann unter seinen Zeitgenossen; er ging seinen Weg mit Gott.
Da sprach Gott zu Noah: Ich sehe, das Ende aller Wesen aus Fleisch ist da, denn durch sie ist die Erde voller Gewalttat. Nun will ich sie zugleich mit der Erde verderben. Mach dir eine Arche aus Zypressenholz; statte sie mit Kammern aus und dichte sie innen und außen mit Pech ab.
Ich will nämlich die Flut über die Erde bringen, um alle Wesen aus Fleisch unter dem Himmel zu verderben. Noah tat wie der Herr ihm aufgetragen hatte.
Mit dir aber schliesse ich meinen Bund. Geh in die Arche, du, deine Söhne, deine Frau und die Frauen deiner Söhne.
Von allen Tieren führe je zwei in die Arche, damit sie mit dir am Leben bleiben; je ein Männchen und ein Weibchen sollen es sein.

3. Die Sintflut (Gen. 7: 17, 23, 24, 8: 1, 2)
Die Flut auf der Erde dauerte 40 Tage. Das Wasser schwoll an und stieg immer mehr bis es die ganze Erde bedeckte. Die Arche aber trieb auf dem Wasser dahin. Gott vertilgte alle Wesen auf der Erde.
150 Tage stand das Wasser. Da dachte Gott an Noah und an alles Getier, das bei ihm in der Arche war.
Gott liess einen Wind über die Erde wehen und das Wasser sank; der Regen vom Himmel liess nach.

4. Die Errettung der Arche (Gen. 8: 15, 16, 20)
Gott sprach zu Noah: Komm aus der Arche mit deiner Familie und all den Tieren. Sie sollen fruchtbar sein und sich auf der Erde vermehren.
Dann baute Noah einen Altar und brachte ein Brandopfer dar, zum Dank für seine Errettung.

5. Der Regenbogen (Gen. 9: 12, 13, 16)
Und Gott sprach: Das ist das Zeichen des Bundes, den ich stifte zwischen mir und euch: Meinen Bogen setze ich in die Wolken, er soll das Bundeszeichen sein zwischen mir und der Erde.
Steht der Bogen in den Wolken, so werde ich auf ihn sehen und des ewigen Bundes gedenken zwischen Gott und allen lebenden Wesen auf der Erde.

 

Presse

fonoforum 6.6.1978

In den "Biblischen Szenen" paraphrasieren Orgel und Oboe Texte aus der Genesis. Fünf Sätze, zu denen sich bei mir formale Assoziationen wie Toccata, Meditation, Phantasie, Elegie und Kontemplation im Sinne spätromantischer, gerade auch französischer Orgelmusik einstellen. Dabei bricht die Oboe immer wieder die Form auf, schafft Ruhepunkte, Zäsuren, wirkt alternativ oder additiv mit der Orgel zusammen. Kantable, mehr noch expressive Solofiguren sind ihr zugeteilt, in die dann die Orgel einfällt, es gibt zweistimmige Pedalführungen, motivische Arbeit wächst aus rezitativischen Passagen, zu dramatischen Szenen ballen sich scharfe Oboenschreie mit den massigen Mixturen der Orgel. Hummels "Biblische Szenen" sind ein hörenswertes Beispiel meditativer, textassoziativer Geistlicher Musik.

 

Donau-Kurier Ingolstadt 21.6.1972

Mit seinen "Biblischen Szenen" hat Hummel die einschlägige Literatur um ein sehr abwechslungsreiches und apartes Werk bereichert. In der vornehmen Melodik und dem immer klangvollen Satz spricht sich vollblütiges Musikertum überzeugend aus.

 

Mittelbayerischen Zeitung Regensburg 16. 9 2008

Um die Sintflut geht es, und entsprechend illustrative Züge meint man in Hummels Klängen zu entdecken, die dennoch nicht ins platt Abbildende oder Geschwätzige abgleiten. Mit exaltierten Sprüngen, aber auch in sanfter Klage und meditativer Ruhe sprechend lässt sich Wittmanns Oboe vernehmen, während Düchtel die ganze Farbenvielfalt seiner Orgel in oft extremen Kombinationen ertönen lässt. Und selbst die Vogelstimmen-Sonderregister der Papst-Benedikt-Orgel weiß er geschickt einzusetzen als Zeichen des wiedererwachenden Lebens nach der Katastrophe.

 

Fränkisches Volksblatt 3.12.1974

Bertold Hummels "Fünf biblische Szenen" für Oboe und Orgel, inspiriert durch Texte aus der Genesis, konzentrieren sich auf einheitliche Grundmaterialien, betonen die Konsequenz mehrerer kompositorischer Strukturen, geben gerafft in Anschaulichkeit, Meditation, Untermalung und Gedankenbildern die geistige Grundidee der entsprechenden Textstellen wieder. Hummels Prinzip hält sich auch hier die Treue: klare Form, kein unwesentliches Zerreden, wacher Sinn für raffinierte Klangeffekte und komprimierter Ausdruck.

 

Tibia 1/1986

Hummels Biblische Szenen, teils meditativ, teils programmatisch konzipiert, wechseln zwischen schlichten und bizarren Melodieverläufen, wobei immer wieder Ganztonleitern - charakteristisch für Hummels Kompositionsweise - auffallen. Die Oboenparts aller Werke liegen im mittleren Schwierigkeitsbereich, am anspruchvollsten sicherlich Hummels Szenen. Eine erfreuliche Bereicherung der Repertoires für diese Instrumentenkombination. Christian Schneider