BERTOLD HUMMEL - Texte zu den Werken: opus 40 Zurück zur Verzeichnisliste |
Metamorphosen über den Namen B-A-C-H für Orgel und Bläser op. 40 (1971) I. Fantasie II. Choral Anfang III. Toccata Anfang
Bläserbesetzung: 2 Ob., E. H., 2 Fag., 3 Trp.i.C<1. auch hoch B>, 3 Pos. Widmung: Dem Andenken meiner Mutter gewidmet Uraufführung:
28. November 1971 / Würzburg / Kiliansdom Aufführungsdauer: 22 Minuten Autograph: Verlag: N. Simrock Hamburg-London (Boosey & Hawkes): Leihmaterial Video: Hummelwerke auf Youtube
Der dreisätzige Zyklus Metamorphosen über den Namen B-A-C-H op. 40 entstand 1971 im Andenken an den Tod meiner Mutter und beruht auf dem berühmten, bereits von Bach benutzten Viertonmodell, welches zu allen Zeiten die Komponisten fasziniert und inspiriert hat. Hier wird es mit den Techniken der Zwölftönigkeit verschmolzen und gibt die Basis für die große Vielfalt sämtlicher Akkord- und Melodiegebilde ab. Mottoartig wird es zu Beginn des 1. Satzes in seiner Grundgestalt von der Orgel vorgestellt, ehe es in Form einer Fantasie transponiert, verwandelt und vielfältig verarbeitet erscheint. Da gibt es nicht einen Takt, wo nicht in irgendeiner Weise das Sekund - Terz - Sekundenmodell auftritt. Orgel und Bläserensemble stehen sich zunächst dialogartig in größeren Formblöcken gegenüber, um im weiteren Verlauf im verdichteten Satz miteinander verzahnt, bzw. an zentraler Stelle kadenzartig isoliert zu werden. Im Zentrum der Komposition steht der von der Solo-Trompete vorgetragene Choral "Wenn ich einmal soll scheiden", der Gedanken an den Tod und an die großen Passionsvertonungen Bachs evoziert. Umrahmt werden die Choralzeilen von melodischem Filigran und von Bläsertutti, beide wiederum aus dem Viertonmodell B-A-C-H entwickelt. Die barocke Toccata in ihrer additiven Reihung abwechslungsreicher spielfreudiger Abschnitte bot das Vorbild für den Schlußsatz. Hier folgen die gegensätzlichen Abschnitte - wuchtige Akkordtürme, virtuoses Passagenwerk und kantable Bläserariosi aufeinander, ohne daß es zur zusammenhanglosen Beliebigkeit käme: Die Töne B-A-C-H, die auch am allerletzten Schluß wieder in Originalgestalt aufleuchten, sorgen für die Kohärenz. Bertold Hummel / Klaus H. Stahmer 1984Sehr verhalten wird das Thema durch die Orgel vorgestellt. Der mit Fantasie
bezeichnete dramatische Dialog - quasi eine permanente Durchführung des
Themas - zwischen Orgel und Bläser führt zu einer Solokadenz der Orgel,
in welcher die spieltechnischen Möglichkeiten des Instruments genutzt
werden, die auch überleitet in eine geraffte Reprise. Hier wird die
dramatische Situation des ersten Teils wieder aufgenommen und zum
Abschluss gebracht. Bertold Hummel 1971 Interview für den Bayerischen Rundfunk 1974 Klaushinrich Stahmer: Die Paraphrasierung des Namens B-A-C-H ist nicht nur eine Hommage an den Auftraggeber, die Würzburger Bach-Gesellschaft. Herr Hummel, welche Wirkung geht nach Ihrer Ansicht nach mehr als 200 Jahren noch von dem Werk Johann Sebastian Bachs aus? Bertold Hummel Der Grad der Vollkommenheit ist wohl der Grund, daß noch heute eine weltweite Wirkung von den Werken Bachs ausgeht. K.S.: Gibt es dabei Anknüpfungspunkte für die Neue Musik? B.H.: Die Polyphonie, konzertante Elemente des Barock, serielle Denkmodelle von höchster geistiger Disziplin sind Dinge, die dem zeitgenössischen Komponisten eine Fülle von Anregungen vermitteln können. Satztypen wie Fantasia, Orgelchoral und Toccata haben mich zu dem obengenannten Werk angeregt. K.S.: Könnten sie sagen, welche Bedeutung der sakrale Bezug für Ihr Schaffen hat oder ganz allgemein, welche Rolle geistliche Musik in der Neuen Musik spielen kann? B.H.: Ich bin der Meinung, daß der sakrale Raum wie kaum ein anderer geeignet ist, eine umfassende geistige Kommunikation zu vermitteln. Die Möglichkeiten, den Hörer zu erreichen, ihn in einer selbstgewählten Aufgeschlossenheit vorzufinden, ist hier wie kaum irgendwo anders gegeben.
Presse Fränkisches Volksblatt 28.1.1985 Am Schluss ein Höhepunkt wohl nicht nur dieses Einzelkonzertes: Bertold Hummels "Methamorphosen über B-A-C-H", ein schmerzvolles, eindringliches, großes Werk.
Schwäbische Zeitung 11.12.1971 Hummel verwendet in seinem dreisätzigen Werk - Fantasia, Choral, Toccata - das Thema als Baustein, als immer wiederkehrenden Haltepunkt; aber wie anders als seine Vorgänger hat er die Tonfolge verarbeitet! Klassische Mittel der Kontrapunktik nutzt er; aber zu Umkehrung und Krebs, Erhöhung wie Erniedrigung (bis zur kleinen Sekund), zu Kanon und Fugato kommen neue Klangstrukturen mit massierten Tontrauben, dissonanten Girlanden, abgerissenen Akkordstößen; Hummel versteht es, die - scheinbar einander konträren - musikalischen Welten zur Synthese eines in sich harmonischen Klangausdrucks zu verbinden. Die Fantasie lebt vom ständig variierenden Dialog der Orgel (mit Quasikadenz) mit den Bläsern. Im flächiger geratenen, als Choral bezeichneten zweiten Satz klingt Haßlers Melodie "O Haupt voll Blut und Wunden" sehr fern als Gegenthema an. In der monumentalen Toccata wird das B-A-C-H in vielfacher Wendung bis hin zur Auflösung in Orgelläufen und -ballungen, frei solistisch (Oboe, Trompete), kammermusikalisch licht gestaltet und schließlich zu vollem tutti gesteigert.
Nürnberger Nachrichten 1.12.1971 Kontrapunkte und blitzende Clusterketten, minuziös ausgemeißeltes Filigranwerk und massige Klangballungen überwölbten in diesem Opus eine weiträumige, dem Barock verwandte Klangarchitektur. Im ersten Satz "Thema-Fantasie" spielen sich Orgel und Bläser das B-A-C-H-Motiv variierend zu; im Choral-Satz erweitert sich das Klangspektrum, erlischt aber immer wieder, um scharf linierte, choralartig ausgezogene Paraphrasen hervortreten zu lassen. Zu einem imposanten Tutti steigern sich Orgel, Blech- und Holzbläser im "Toccata" betitelten dritten Satz.
Badische Zeitung 5.7.1986 Eine höchst eindrucksvolle Wiedergabe erfuhren die "Metamorphosen über B-A-C-H". Unter der kompetenten Leitung von M. Lehmann blieben Krause und das Bläser-Ensemble der "basel sinfonietta" dem quasi sinfonischen Zuschnitt und der klanglichen Opulenz des 1971 entstandenen Werks nichts schuldig. Zum B-A-C-H-Thema: einprägsamer geht's wohl nicht mehr. |