Walther Gaemperle (1934 Zuzwil - 17. Juli 2010 Bronschhofen)


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Den Steyler Missionar Walther Gaemperle lernt Bertold Hummel bei den verschiedenen Chor- und Orchesterwochen der Werkgemeinschaft Musik e.V. (Düsseldorf) in der Landvolkshochschule Wies/Steingaden kennen.  In den Jahren 1962, 1967, 1969, 1971, 1981 und 1983 arbeiten sie dort gemeinsam mit den Kursteilnehmern, Hummel als Orchesterleiter, Gaemperle als geistlicher Betreuer. Schnell entwickeln sie ein sehr freundschaftliches Verhältnis zueinander. Gaemperle, literarisch sehr interessiert und produktiv, verfasst 1983 für Hummel die beiden Motettentexte Herr, wie zahlreich sind Deine Werke (Psalm 104) und Preist den Herrn (Daniel 3). Anfang der 70er Jahren denken sie an gemeinsame Opernprojekte. In diese Zeit fällt auch ein Kompositionsauftrag des Süd-West-Funks Baden-Baden (Hans-Peter Haller) an Bertold Hummel für den Gottesdienst am 22.10.1972 in der Schloßkirche von Donaueschingen im Rahmen der Donaueschinger Musiktage. Den Text für Kyrie, Zwischengesang und Offertorium für Schola, Vorsänger, Schlagzeug und Stereo-Zuspielband erbittet sich der Komponist von seinem Freund Walther Gaemperle, der diesen endlich am 22. Mai 1972 aus Fribourg (CH) mit folgender Erläuterung zuschickt:

Lieber Bertold,
ich bestaune Deine Geduld. Oder ist es ganz einfach ein bisschen Resignation.
Ehrlich gesagt, ich habe mir das Ganze leichter vorgestellt. Möglich wäre ja vieles und sehr verschiedenes. Aber dann kommt das Leidige: man muss sich einmal festlegen. Nun ich habs getan. Ob es Deinen Vorstellungen und Wünschen in etwa entspricht, weiß ich nicht. Das eine weißt Du aber: die Texte sind weder heilig noch geheiligt. Man kann also alles mit ihnen machen. Sogar entrüstet zurückschicken.
Ich habe mir bei der "Herstellung" sogar einiges gedacht. Vielleicht etwa so: ich werde mir der Problematik der Welt, des Lebens bewusst (z.B. wie manches, was wir tun und denken unsem Bekenntnis entgegensteht...). Der Refrain fasst das kurz zusammen. "Herr, Herr bist Du" ist Bekenntnis, Frage, Kritik unseres Tuns zugleich. Die beiden Zeilen sollten eine Übersetzung des Kyrie sein.
Im "Zwischengesang" würde ich versuchen: Gibt uns die Botschaft Antwort, gibt sie Sinn, Weg, Leben. Der Opferungsgesang soll ein Bekenntnislied werden, dass wir an die Verwandelbarkeit der Welt, des Menschen glauben. Zur Kommunion möchte ich das Zeichen meditieren, dass einer sich hingibt für die andern.
Der Text würde also bestimmt ruhiger werden, ich sage das, weil man mich aufmerksam gemacht hat, der erste Satz sei wild.
Hauptext bei I ist der Refrain. Das andere ist Interpretation, der Hintergrund, aus dem heraus der Refrain gesagt werden will. Er müsste also wohl öfter wiederholt werden, ganz oder in Teilen.... Dementsprechend wären die Vierzeiler zu behandeln. Das ist natürlich keine Anleitung für Deine Arbeit. Aber ich könnte mir denken, dass der Text verständlicher wird, wenn ich sage, wie ich beim Texten gespielt habe. Du wirst ja bald sehen, ob du mit dem Text was machen kannst. Ich wäre froh, wenn Du es mir bald sagen würdest. Ich könnte dann weiter machen. (...)

I

Aus Tiefen ruf ich Dich.
Herr, Herr bist Du.


Die tausend Namen, die wir Dir gaben:
Der Purpur unsrer Eitelkeiten.
Wir glaubten Dich im Fortschritt nahe -
Der Krieg maskiert sich so und die Gewalt.

Aus Tiefen ruf ich Dich.
Herr, Herr bist Du.

Wir beten an die Macht, die Du nicht hast:
Der Hunger zwingt uns und der nächste Zahltag.
Wir lieben Gott und meinen Geld,
Auf manches haben wir uns betend einen Reim gemacht,

Aus Tiefen ruf ich Dich.
Herr, Herr bist Du.

Die Sonne fällt bisweilen noch in unsre Träume,
Bei Tag steht uns der Wohlstand bis zum Hals.
Wir warten auf Dein wirkendes Zeichen,
Das Du ohne uns nicht setzen wirst.


II (Zwischengesang)

Ich suche Sinn
Im feingesponnenen Netz unsrer Sätze
lauert die tödliche Spinne der Sinnlosigkeit
Sprich Du uns Sinn zu in deinem Wort
Du bist die Wahrheit - Alleluja

Ich suche Weg
Die ausgeglaubten Worte, die Dich bekennen
werden richtungslos auf unsern Zungen
Zeige Du uns Möglichkeiten durch Dein Wort
Du bist der Weg - Alleluja

Ich suche Leben
Die toten Steine, die Jahrhunderte für Dich gefügt
versuchen wir vergeblich neu zu fluchten
Ruf Du ins Leben durch Dein Wort
Du bist das Leben - Alleluja

III (Zur Opferung)

Und immer wieder das Brot, das wir brechen
zur Nahrung für die vielen, die satt sind und hungern
gibt einer sich hin
wir verkünden den Tod des Herrn.

Und immer wieder der Wein, den wir teilen
zur Stärkung für die vielen, die leben und tod sind
gibt einer sich hin
wir preisen Deine Auferweckung.

Keiner stirbt gern und keiner will sich verlieren
doch
gibt einer sich hin
dass wir uns wandeln
wenn wir uns wandeln
einer gibt sich hin.

Walther Gaemperle (1972)

Aus unbekannten Gründen wird dieses gemeinsame Projekt nicht zu Ende geführt.

 

Walther Gaemperle und Bertold Hummel beim fröhlichen Disput über avant-
gardistische Interpretationsmöglichkeiten in der Volkshochschule
Wies/Steingaden in den 60er Jahren.

 

Der Rufer in der "Wüste" ist verstummt
Walther Gämperle, zwar Wallfahrtsseelsorger in Dreibrunnen, missionierte auch an seinem letzten Wirkungsort für die Sache Gottes.

Mit dem überraschenden Tod von Missionar Walther Gämperle, zuletzt Wallfahrtsseelsorger in Dreibrunnen, ist eine Seelsorgepersönlichkeit verstummt, welche in seinem Wirken wiederkehrend zu überraschen vermochte. Was Walther Gämperle nicht in körperlicher Grösse bewirken konnte, glich der Steyler Missionar wiederkehrend mit seiner starken Stimme aus. Er war sozusagen der geborene Missionar, die Menschen für die Wirkkraft Gottes zu gewinnen.

Der Zuzwiler Mesmers-Sohn, in Erinnerung an seine Primiz in seiner Heimatgemeinde im 1961, geriet uns Jugendlichen nie in Vergessenheit. Walther Gämperle durfte an diesem, seinem besonderen Tag und noch vielen mehr, die Dienste seines Vaters direkt am Altar in Anspruch nehmen. Eine Primiz zu erleben, oder den Primizsegen des geweihten Priesters zu empfangen, war zu dieser Zeit eine Besonderheit. Die Wirkkraft dieses Segens war in dieser Zeit darin betont, dass man für einen Primizsegen eine Tagesreise unter die Füsse nehmen soll.

Walther Gämperle genoss ob seiner Tiefgläubigkeit einerseits hohe Beachtung, er hatte aber auch seine Kritiker, so auch in seiner Heimatgemeinde, wenn er an Vortragsabenden gewisse Dinge beim Namen nannte. Er war ein Mensch ohne Scheu, selbst Behörden von der Kanzel aus einmal an ihre Pflicht zu erinnern. Walther Gämperle war aber ebenso ein humorvoller Mensch, der in gesellschaftlichen Runden auch seine Witze zu reissen vermochte.

Für Kenner seiner starken Persönlichkeit war es geradezu selbstverständlich, dass er sich später für den Posten des Studentenseelsorgers an der UNI St. Gallen interessierte und auch mit Erfolg wirkte. Die Studentenseelsorge hatte Walther Gämperle über die Jahre auch an seinen Kräften genagt, nicht aber an seinem tiefschürfenden Denken und der seelsorgerischen Wirkkraft.

Sein Rückzug an den Wallfahrtsort Dreibrunnen bei Wil galt keineswegs dem Einrichten des Ruhestandes. Vielseitiges Engagement konnten die zahlreichen Gottesdienstbesucher in seinen Jahren in Dreibrunnen noch erleben. Wie zu seinen ersten Wirkungsjahren vermochte er in seinen Predigten die Menschen zu aktivem Zuhören anzuregen. Wenn er seinen Worten Nachdruck verleihen wollte, hob er seine Stimme öfters gewaltig an, auch den letzten Zuhörer aus der Ruhe heraus zu holen.

Vor Wochenfrist verstummte nun seine Stimme endgültig mit der überraschenden Rückkehr zu seinem Schöpfer. Am Freitag fand nun der Abschiedsgottesdienst an seinem letzten Wirkungsort in der Wallfahrtskirche Dreibrunnen statt. Wer Walther Gämperle erlebte, wird sich wohl noch länger seinem tiefsinnigen Wirken erinnern. Er wird in vielen Herzen wohl noch lange wach bleiben.

Niklaus Jung

 

Der Wiler Stadtpfarrer Roman Giger hat den Steyler Missionar in seiner Abschiedsrede in Maria Dreibrunnen treffend charakterisiert: „Walther hat sich nie davor gescheut, Missstände und Fehlentwicklungen in der Kirche schonungslos anzusprechen, zu diskutieren und gelegentlich zu verurteilen. Doch, bei aller Kritik und aller gesunder Distanz zur Institution hat er sich zu jeder Zeit eine grosse Liebe zur Kirche bewahrt. Er war nie einer, der bloss abreisst, sondern ist einer, der auch neu aufbaut. Von Walthers durchdachter und lange reflektierter Theologie und seinen prägnanten, griffigen Formulierungen haben wir viel gelernt.“

Diese Eigenschaften haben Pater Walther Gaemperle ein Leben lang begleitet.

Geboren und aufgewachsen ist er in Zuzwil SG. 1961 erhielt er in der Kapelle des Gymnasiums Marienburg in Rheineck die Priesterweihe. Es folgten: Lehrertätigkeit am Gymnasium Marienburg in Rheineck, das Studium der Germanistik und Kunstgeschichte an der Universität Freiburg. Anschliessend wirkte der St. Galler von 1971 bis 1982 als Redaktor der ordenseigenen Familienzeitschrift „Stadt Gottes“. Eine Aufgabe, die er mit „Herzblut“ erfüllte. Er hat die „Stadt Gottes“ in diesen Jahren entscheidend geprägt und weiterentwickelt. Nach seinem Ausscheiden als Redaktor blieb Pater Walther noch mehrere Jahre im Redaktionsteam. Und: Bis 2006 arbeitete er auch beim Steyler Bildkalender mit. Er suchte die Bilder aus und schrieb Meditationstexte dazu. In den 70er Jahren war er zudem als Regisseur bei der Theatergesellschaft Steinhausen aktiv. Ein Hobby, das er sehr liebte.

Von 1982 bis 2000 betreute der Steyler mit grossem Engagement die Katholische Hochschulseelsorge an der Universität St. Gallen. „Der Kontakt über mich zur Kirche soll positiv sein“, war die Devise für die Arbeit von Pater Walther Gaemperle…sowohl an der Universität als auch bei seinen zahlreichen anderen Aufgaben. Neben seiner Arbeit an der Universität machte er Aushilfen in den Stadtpfarreien, hielt Fastenpredigten in der Kathedrale und ab 1987 zog es ihn auch als Seealpsee-„Standespfarrer“ an vielen Sonntagen in den Alpstein.

Pater Gaemperles Arbeit wurde geschätzt. Am „Dies academicus 2000“ zeichnete ihn die Studentenschaft mit dem Mentorpreis aus. In der Laudatio hiess es: Er habe sich immer in besonderem Masse für die Interessen der Studierenden stark gemacht. Auch in seiner letzten Tätigkeit als Wallfahrtsseelsorger standen die Menschen im Mittelpunkt. Roman Giger bringt es auf den Punkt: „Er war ein leidenschaftlicher und menschenliebender Seelsorger. Und: Ein zutiefst kreativer und offener Denker.“

http://www.kathwil.ch (12.11.2010)