Rolf Rudin *1961


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Herbstgesang, Hommage an Robert Schumann op.18  für Orchester (1989)
Bertold Hummel gewidmet

Orchester: 1.picc.2(II=corA).2.2(II=dbn)-4.2.3.0-timp.perc-harp-strings

Uraufführung: 24.10.1990, Bad Reichenhall
Philharmonisches Orchester / Christian Simonis 

Aufführungsdauer: 12 Minuten

Verlag: Bote & Bock (Boosey & Hawkes)

 

Rolf Rudin
Das Glück, in einer wichtigen Entwicklungsphase einen guten kompositorischen Mentor gefunden zu haben

(erschienen in CLARINO - Internationale Zeitschrift für Bläsermusik - 12/1995)

Unsere erste Begegnung erscheint mir im nachhinein wie eine glückliche Fügung. Denn damals - im Dezember 1985 - "schwänzte" ich eine wichtige Chorprobe, um im Frankfurter Konservatorium ein "Komponistenporträt Bertold Hummel" zu besuchen. Ich wollte in dieser Lebensphase von Frankfurt weg und suchte einen Studienort, wo ich neben einem guten Kompositionslehrer auch einen solchen für mein zweites Fach Dirigieren antreffen konnte. Nach Anhören von Bertold Hummels Orchesterwerk "Visionen" und der positiven und reifen Aura seiner Person war meine Entscheidung, nach Würzburg gehen zu wollen, nur noch Gegenstand organisatorischer Überlegungen. Ich konnte mit ihm einen Termin vereinbaren, an dem er Einblick in meine Partituren nehmen wollte. Und nach den üblichen Aufnahmeritualen im darauf folgenden Sommer war ich Schüler seiner großen Würzburger Kompositionsklasse.
Diese zeichnete sich vor allem darin aus, daß ihr Komponistentypen unterschiedlichster Couleur angehörten. Auch die Altersstruktur war sehr weit gespannt, so daß das "ganz junge Talent" auf den "reifen Meisterklassenanwärter" stieß, denn Hummel nahm die verschiedensten Gelegenheiten zum Anlaß, um die mehr oder weniger individualistisch veranlagten Charaktere in Kontakt zu bringen. So veranstaltete er fast regelmäßig Zusammenkünfte in privaterem Kreise. Zu einem solchen sommerlich netten Beisammensein - natürlich mit Gegrilltem und allem, was sonst noch dazugehört - konnte ich übrigens schon direkt nach meiner Aufnahmeprüfung dazustoßen; so schnell konnte das bei Hummel gehen.
Auch in der wirklichen Arbeit gab es kein langes "Hin und Her": Es mußte konzentriert und zügig gearbeitet werden, um seinen Wünschen gerecht zu werden. Dies betraf allerdings nicht nur das kompositorische Element, sondern erweiterte sich auch auf den Bereich der praktischen Umsetzung nach Vollendung eines Werkes. Es wurden in jedem Semester Konzerte in Würzburg veranstaltet, wo wir als Klasse unsere Arbeiten einem durchaus großen Hörerkreis nicht nur hochschulintern vorstellen konnten. In die organisatorische Durchführung dieser Aktionen griff Hummel allerdings nur in Notfällen wirklich handgreiflich ein. So war seine "schützende Hand" eigentlich mehr ein Netz im Hintergrund, das uns erlaubte, viele Dinge selbst zu tun: mit allem freiheitlichen Raum, aber auch mit der ganzen, oft aufwendigen organisatorischen Arbeit. Daß dies auch zum KomponistSein dazugehört, dies ließ er uns spüren und verlangte einen entsprechenden Einsatz.
Die Kompositionsabende - soweit ich sie in meiner Studienzeit erlebt habe - spiegelten immer den toleranten Pluralismus des Kompositionslehrers Bertold Hummel. Er versuchte immer den Weg jedes einzelnen Schülers zu erahnen und ihm dann auf diesem seine Hilfestellung anzubieten. Man rieb sich in vielen Punkten aneinander, nie aber aus reinem Selbstzweck zur Darstellung ästhetischer Dogmen. Seine fördernde und stimulierende Akzeptanz bekam man des öfteren; ein wirklich begeistertes Lob war dagegen nur schwer zu erringen und deswegen um so ersehnter. Aber wenn es denn einmal kam, wurde es in voller Ehrlichkeit und aus Überzeugung ausgesprochen.
Was Hummel von kompositionstechnisch-handwerklicher Seite zu vermitteln suchte, ahnte ich schon in der ersten Stunde. Ich brachte ihm ein in Arbeit befindliches Klaviertrio mit, das ich in Ausschnitten nach der Lektüre des Notentextes auch am Klavier andeuten sollte. Ihn interessierte mein persönlicher expressiver Zugang zu meiner Musik eben auch in der eigenen klanglichen Darstellung. Nachdem wir ausgiebig über mein Trio und dessen geplante Vollendung sprachen, schrieb er mir schnell noch einige Töne in bestimmter Intervallstruktur auf einen Notenpapierfetzen. Mit diesem begrenzten Material sollte ich dann ein Englischhornsolo schreiben. Dies war meine erste gezielte Kompositionsaufgabe bei ihm.
Die kurze Schilderung meiner ersten Stunde zeigt, wie wichtig es Hummel war, die Verbindung von kompositorischer Strenge bezogen auf ein Komponieren aus einem kleinen Kern heraus und eine gewünschte Expressivität, die auch beim Hörer ankommt, zu vermitteln. Dies hat bis heute mein Arbeiten geprägt und dafür bin ich dankbar.
Zum Schluß möchte ich noch auf eine weitere Komponente hinweisen, die sowohl für sein Schaffen selbst als auch für seinen Unterricht charakteristisch sind; nämlich die Frage, ob man für Amateure schreiben soll/ kann/darf oder nicht. Diese Frage stellte für Hummel kein grundsätzliches Problem dar. Für ihn hat der Komponist - so, wie ich es verstanden habe -, neben der niemals anzuzweifelnden künstlerischen Aufgabe, seine Zeit in irgendeiner persönlichen Art und Weise in seinem Schaffen zu reflektieren. Dies ist auch eine soziologisch- pädagogische Verpflichtung. Diese Verpflichtung und deren befriedigende Erfüllung auch in seinen Schülern zu erwecken und weiterzuentwickeln, war im Zusammensein mit ihm eine nicht zu gering zu beachtende Dimension. Daß diese Einstellung auch im Medium Blasorchester seinen kompositorischen Niederschlag im Schaffen Hummels gefunden hat, ist ja hinlänglich bekannt.
Selbstverständlich ist der Kontakt zu meinem Lehrer auch nach Verlassen der in vielerlei Hinsicht Heimat gewordenen Hochschule nicht abgerissen, und so findet man in ihm immer wieder einen kritisch interessierten Gesprächspartner und Leser der neu entstandenen Stücke. Anläßlich seines diesjährigen 70. Geburtstages war es für mich eine Freude und Ehre, die interessierten Leser etwas Einblick in mein "Lehrer/Schüler-Verhältnis" zu Bertold Hummel nehmen zu lassen.


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