Franz Hummel (2. Januar 1939 Altmannstein - 20. August 2022 Regensburg)

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An der schönen blauen Donau Kammeroper nach einem Libretto von Elisabeth Gutjahr (1993)

Meinem verehrten Kollegen und Namensvetter Bertold Hummel gewidmet

Besetzung: Elli Maldaque (Sopran) - Irenes Stimme (Mezzosopran) - Mechaniker/Vater (Bariton) - Die Fischmaulmeier (Bass) - Der unbekannte Geliebte (Schauspieler oder Tenor) - Der Zuständige (Schauspieler)
Solistenensemble oder Streichorchester:
1.Violine, 2.Violine, Viola, Violoncello, Kontrabass, Cembalo

Uraufführung: 20. November 1993, Klagenfurt

Aufführungsdauer: ca. 70 Minuten

Verlag: Accent Musikverlag, Regensburg

Arte Nova 38023

 

Über die Oper "An der schönen blauen Donau"
Ich weiß, daß der Titel meiner Oper "An der schönen blauen Donau" in die Irre führen kann, doch die Bitterkeit, die in der Distanz zum Lebensdrama der Regensburger Lehrerin Elli Maldaque liegt, hat Für mich eine ästhetische Nähe zu Ödön von Horváths G'schichten aus dem Wienerwald. Die Leichtigkeit des Titels steht hier mit böser Ignoranz über den tief tragischen Verflechtungen des Dramas. Horváth war es auch, der unserer Hauptfigur Elli das Schauspiel Die Lehrerin von Regensburg widmete, das er allerdings nicht vollenden konnte.
Die Geschichte der Lehrerin Elli Maldaque hat in den dreißiger Jahren in Deutschland viel Aufsehen erregt und sowohl die Psychiatrie als auch den Staat als Organ der Bespitzelung einmal mehr in Mißkredit gebracht. Was ihr widerfahren ist und zu ihrem frühen und unerklärlichen Tod geführt hat, könnte vielleicht der "große Lauschangriff" eines Tages in perfektionierter Form wieder leisten.
Die Grundzüge der Handlung sind schnell erzählt, aber nicht Gegenstand meines Interesses an diesem Stoff, sondern nur die Bedingung, unter der die totale Vernichtung einer vorbildlichen, idealistisch gestimmten Persönlichkeit zustande kommt.
Die allseits beliebte und geachtete Lehrerin Elli Maldaque, aufgewachsen in einem bedrohlich bigotten Elternhaus im Regensburg der frühen zwanziger Jahre, lernt die mit dem französischen Schriftsteller Henri Barbusse befreundete Irene Neubauer kennen. Mit ihrer Person kommt eine Vision ins katholische Regensburg, der damals viele Geistesgrößen und Weltverbesserer anhingen: der Kommunismus. Elli geht zu den Versammlungen, die auch in Regensburg bereits einen festen Platz in der Politszene gefunden haben, und spielt dort Klavier. Obwohl sie sich den Kommunisten nicht anschließt, kann sie sich der Faszination dieser ihr zutiefst christlich erscheinenden Bewegung nicht entziehen. Irene und mit ihr der Kommunismus stehen für eine bessere Welt, in der alle Menschen gleichberechtigt füreinander da sind.
Elli versieht den Schuldienst nun mit noch größerer Hingabe, doch die staatliche Bespitzelung hat ihre Spinnenfäden bereits über sie geworfen. Als sie nach mehreren Verwarnungen von ihrer Sympathie nicht abrückt und immer noch beteuert, sie habe keine unchristlichen Absichten, wird ihr die Demission vom Schuldienst angedroht, gegen die die gesamte Elternschaft protestiert. An diesem Punkt beginnt sich das Karussell der Demontage ihrer Persönlichkeit zu drehen. Sie findet eines Tages die Wohnung durchsucht, wird bedroht und verfolgt, und die Zermürbungstaktiken des bestens geübten Bespitzelungsapparats, der zwischen scheinbar wohlwollenden Ratschlägen und Drohungen hin und her pendelt, tun ihre Wirkung. Elli zeigt sich zunehmend sensibilisiert, wenn jemand mit ihr über das Problem spricht. Es wird ihr immer schwieriger, Freund und Feind auseinanderzuhalten, und sie zieht sich mehr und mehr in sich selbst zurück. So wird die zwar verängstigte, sonst aber völlig gesunde Frau, nicht zuletzt durch denunziatorische Machenschaften ihres eigenen Vaters, schließlich als geistesgestört in die psychiatrische Anstalt Karthaus-Prüll bei Regensburg eingeliefert, wo sie unter ungeklärten Umständen wenig später stirbt.
Das Libretto von Elisabeth Gutjahr beschreibt nicht so sehr den konkreten Fall und sieht die überlieferten Einzelstationen dieses Schicksals bewußt nicht als Haupthandlungsfoden. Es arbeitet das, was bei Ödön von Horváth auch für die Schauspielbühne bereits angedeutet ist, stärker heraus und hebt die von Elli gewissermaßen mit subjektiver Kamera erlebte Welt ins Zentrum des Geschehens. Das ermöglicht eine dichte lyrische Sprache und zeigt Ellis Zustand und seine schleichenden Veränderungen wie ein Wozzeck-Syndrom von innen heraus. Die ganz und gar unpolitische Metaphorik tut ein übriges, den Fall aus der Berichterstattungsebene herauszuholen und ihm das Persönliche wieder zurückzugeben, das er verdient.
Die Musik bebildert das Geschehen nicht. Sie soll dem Stück die innere Weite geben, die ihm der Außenraum versperrt.

Franz Hummel

 

Foto: Franz und Bertold Hummel 1997


Franz Hummel wurde 1939 in Altmannstein geboren. Er studierte Klavier an der Hochschule für Musik in München. Entdeckt und gefördert wurde er u.a. von Richard Strauss, Eugen Papst und Hans Knappertsbusch. Zunächst hat er sich als Klaviervirtuose im Konzertsaal und mit über 60 Schallplattenaufnahmen einen Namen gemacht. Er spielte auch Beethoven- und Rachmaninoff-Konzerte mit bekannten Dirigenten wie Sir Georg Solti. Mit ca. 39 Jahren beschloß er seine Konzertlaufbahn zugunsten seiner schon seit frühester Jugend angestrebter Kompositionsfähigkeiten zu beenden. Der Schwerpunkt seiner Kompositionsarbeit liegt neben Werken der Symphonik und der Kammermusik auf dem Gebiet der Oper (König Übü, Ritter Blaubart, Gorbatschow-Oper, Gesualdo-Oper, Beuys, Händel-Oper). Mit seinem König Ludwig II.- Musical Sehnsucht nach dem Paradies (2000) erreichte er größere Bekanntheit. Außerdem hat er noch einige große Instrumentalkonzerte geschrieben. Franz Hummel starb am 20. August 2022 in Regensburg.